Ein Durchbruch für den Hochwasserschutz im Sarneraatal


News Redaktion
Regional / 15.03.23 10:17

Der härteste Teil ist geschafft: In Sachseln OW haben die Mineure am Mittwoch das letzte Stück Mergel ausgebrochen und den Durchstich des Stollens gefeiert, der das Sarneraatal künftig vor Hochwasser schützen soll. Der Untergrund hielt viel Unerwartetes bereit, grosse Unfälle blieben aus, die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen.

Die Mineure entsteigen dem Bohrkopf der Tunnelbohrmaschine beim offiziellen Durchschlag des Hochwasserentlastungsstollens Ost bei Sarnen. (FOTO: KEYSTONE/URS FLUEELER)
Die Mineure entsteigen dem Bohrkopf der Tunnelbohrmaschine beim offiziellen Durchschlag des Hochwasserentlastungsstollens Ost bei Sarnen. (FOTO: KEYSTONE/URS FLUEELER)

Um 9.59 Uhr ist schon mal das Obwaldner Wappen weg. Mit einem Knall birst der rotweisse Schlüssel, der auf den Spritzbeton aufgetragen ist, dort wo die Tunnelbohrmaschine von Alpnach her den letzten Meter Gestein wegfräst. 200 Personen sind geladen, den Durchstich auf der Sachsler Seite, rund 100 Meter vom Eingang des Stollens in 20 Metern Tiefe mitzufeiern.

Das Rauschen kommt näher, wird zum Donnern, der Boden vibriert doch dann, um 10.09 Uhr stellt die Maschine ab. "Kein Strom mehr", witzelt einer der Zuschauer mit Helm und Leuchtweste. Der Obwaldner Baudirektor Josef Hess (parteilos) wird nach dem Durchschlag den Grund für den Unterbruch schildern.

Um 10.14 Uhr brandet erstmals Applaus, der Bohrkopf ist in seinem gesamten Durchmesser von 6,5 Metern zu sehen, dahinter ein Juchzen und wenig später kraxeln die ersten Gestalten durch ein Loch. Statt der verschmierten Arbeitskleider leuchten die Augen der Mineure, die Heilige Barbare, ihre Schutzpatronin, im Arm.

Nach 27 Monaten Bohrzeit ist der 6,5 Kilometer lange Stollen ausgebrochen. Er verläuft vom Sarnersee über das Sarneraatal nach Alpnach. Ein emotional sehr bewegender Tag sei es, sagte Hess, der mit den Mineuren durch das Loch gekrochen war. Er könne sich, sagte der Regierungsrat, gar nicht erinnern, wann er zuletzt derart schmutzig geworden sei.

Hess hat mit dem Stollen einen steinigen Weg hinter sich. Die Bauzeit dauerte zehn Monate länger als geplant. Am 19. Mai 2021 stiess die Bohrmaschine um 17.30 Uhr auf eine Felskluft, das Wasser rann sinntflutartig in den Tunnel. Das sei die schwierigste Phase gewesen.

Damals habe man mehrere Wochen nicht gewusst, wie es weitergehen solle. Sogar eine Absenkung des Wichelsees sei diskutiert worden. Am Ende entschieden sich die Tunnelbauer, das Wasser abzuführen, was sich als richtig herausgestellt habe, da weitere Wassereinbrüche folgten.

Auch der Fels spielte den Mineuren mitunter übel mit. Dieser war lockerer als nach den Probebohrungen angenommen, es mussten deutlich mehr Stützen eingebaut werden. Der Fels bleibt sich bis am Ende treu: Auch auf dem letzten Meter war laut Hess noch einmal ein Stahlbogen nötig, das sei der Grund gewesen für den Stopp der Bohrmaschine kurz vor dem Durchschlag.

All dies führte zu Verzögerungen und verteuerte das Bauwerk. Die Kosten für das Gesamtprojekt mit dem Stollen als Herzstück liegen aktuell bei 180 Millionen Franken. 115 Millionen Franken hatte das Stimmvolk 2014 genehmigt, in der Zwischenzeit nickte der Kantonsrat einen Zusatzkredit ab.

Finanziert wird das Jahrhundert-Hochwasserprojekt über eine Zwecksteuer. Wegen der Verteuerung muss diese vier Jahre länger, voraussichtlich bis ins Jahr 2031, erhoben werden.

Hess stellt die Kosten ins Verhältnis mit den Schäden von 250 Millionen Franken, die das Hochwasser 2005 im Kanton angerichtet hatte. Mit dem Durchbruch seien die geologischen Unwegsamkeiten nun überwunden. Es folgt der Betonausbau des Stollens und der Bau des Ein- und des Auslaufbauwerks.

Bis 2026 soll der Entlastungsstollen betriebsbereit sein. Das Unangenehmste, was jetzt noch passieren könnte, wäre ein Hochwasser, bevor der Stollen parat sei, sagt Hess.

Im Hintergrund klettern immer mehr Mineure durch das Loch. Eine Portugal-Fahne wird gehisst. Der Grossteil der Mineure sind Portugiesen. Darunter José und Tiago Araujo, Vater und Sohn. Das herunterfallende Gestein sei die grösste Gefahr gewesen, sind sie sich einig.

Schwere Unfälle gab es keine. Ein Suva-Vertreter lobte die Sicherheitskultur. Im Untertagebau würden die Teams aufeinander schauen. Allerdings hab auch Glück mitgespielt, als ein herunterfallender Brocken einen Arbeiter nur am Arm traf.

(sda)


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