Nach Erdbeben in der Türkei steigt Totenzahl auf rund 5000


News Redaktion
International / 07.02.23 12:45

Die Zahl der Toten im Erdbebengebiet an der türkisch-syrischen Grenze steigt - und nach wie vor werden viele Menschen unter den Trümmern vermutet. Insgesamt liegt die Zahl der Toten nach Angaben vom Dienstagvormittag inzwischen bei rund 5000.

Eine Frau sitzt auf Trümmern, nach dem verheerenden Erdbeben. Mehr als 13 Millionen Menschen in der Türkei sind nach Einschätzung der Regierung von der Erdbebenkatastrophe betroffen. Foto: Khalil Hamra/AP/dpa (FOTO: Keystone/AP/Khalil Hamra)
Eine Frau sitzt auf Trümmern, nach dem verheerenden Erdbeben. Mehr als 13 Millionen Menschen in der Türkei sind nach Einschätzung der Regierung von der Erdbebenkatastrophe betroffen. Foto: Khalil Hamra/AP/dpa (FOTO: Keystone/AP/Khalil Hamra)

Bisherigen Informationen zufolge wurden in der Südtürkei und in Nordsyrien zudem mehr als 23 500 Menschen verletzt. Tausende Gebäude stürzten ein. Viele Länder sagten Unterstützung zu.

Am frühen Montagmorgen hatte ein schweres Erdbeben den Südosten der Türkei und Regionen in Syrien erschüttert. Mittags folgte in derselben Region ein weiteres Beben der Stärke 7,5. Es gab Hunderte Nachbeben. Im Katastrophengebiet herrschen Temperaturen um den Gefrierpunkt. Der türkische Wetterdienst sagte für die betroffenen Gebiete teils Schneefall und Regen voraus. Am kältesten mit bis zu minus fünf Grad werde es voraussichtlich in der Provinz Kahramanmaras, dem Epizentrum des Bebens.

Viele Menschen können nicht in ihre Häuser zurück, weil sie eingestürzt sind oder eine Rückkehr wegen der Nachbeben zu gefährlich wäre. "Dieses Erdbeben hat 13,5 Millionen unserer Bürger direkt betroffen", sagte Städteminister Murat Kurum am Dienstag. Die Rettungsarbeiten gingen weiter. Manche Strassen und Wege seien nicht zugänglich, man arbeite daran, sie wieder passierbar zu machen.

"Der Schmerz ist unbeschreiblich", sagte der Minister. Jede Stunde sei wertvoll. Er betonte, dass bei vergangenen Beben Menschen auch noch nach 100 Stunden gerettet worden seien. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, in der südtürkischen Stadt Antakya seien zwei Frauen nach rund 30 Stunden unter Trümmern lebend geborgen worden.

Über das Zentrum für Katastrophenhilfe der EU sind bereits 27 Such- und Rettungsteams mobilisiert worden. Wie der zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic am Dienstagvormittag mitteilte, entspricht das insgesamt mehr als 1150 Rettungskräften und 70 Hunden. Die EU-Staaten stimmen sich untereinander ab. Hilfszusagen kamen etwa auch aus Grossbritannien, Israel, Indien, Pakistan, Finnland, Schweden, Russland, der Ukraine sowie den USA. Die Türkei bat ihre Nato-Partner unter anderem um drei für extreme Wetterbedingungen geeignete Feldkrankenhäuser und Personal dafür.

Retter in Syrien vermuten, dass noch immer Hunderte Familien unter den Trümmern begraben sind. Die Suche über Nacht sei wegen Sturms und fehlender Ausrüstung "sehr langsam" verlaufen, hiess es von den Weisshelmen, die in den von Rebellen gehaltenen Gebieten Syriens aktiv sind. Eines der am schwersten betroffenen Gebiete ist die Region Idlib unter Rebellen. Dies erschwert dort die staatliche Nothilfe. Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg kontrollieren Regierungstruppen des Machthabers Baschar al-Assad wieder rund zwei Drittel Syriens.

Nach UN-Angaben trafen die Beben in dem Bürgerkriegsland vor allem Menschen, die ohnehin schon unter desaströsen Bedingungen lebten. Viele der Binnenflüchtlinge, die vor der Katastrophe in baufälligen Unterkünften wohnten, mussten die Nacht bei eisigen Temperaturen im Freien verbringen, wie eine Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR der Deutschen Presse-Agentur sagte. Einige der betroffenen Gebiete seien zudem abgelegen und nur schwer erreichbar. Es gebe nicht genügend Notunterkünfte, Decken, warme Kleidung.

Am Dienstagmorgen berichtete eine Augenzeugin der Deutschen Presse-Agentur, im südtürkischen Hatay sei der Strom ausgefallen. Die Tankstellen hätten kein Benzin mehr und es gebe kein Brot zu kaufen. Auch in der Nachbarprovinz Osmaniye sei der Strom ausgefallen, sagte eine Reporterin des Senders CNN Türk. In der südosttürkischen Metropole Diyarbakir verbrachten viele Menschen die Nacht draussen, in Schulen oder Moscheen, wie ein dpa-Mitarbeiter berichtete. "Die Menschen haben Angst, in ihre Häuser zurückzukehren." Die Zelte der Katastrophenschutzbehörde Afad seien eiskalt und reichten nicht aus.

Experten gehen davon aus, dass es in nächster Zeit ähnlich grosse Beben in nahen Regionen geben könnte. "Das war vermutlich nicht das letzte starke Erdbeben in dieser Region. Weitere können folgen, insbesondere in Richtung Nordosten weiter ins Landesinnere", sagte Marco Bohnhoff vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam der Deutschen Presse-Agentur. Ursache seien Spannungsumlagerungen an der Plattengrenze infolge des Bebens vom Montag. "Die Gefahr ist für die Region leider nicht gebannt."

(sda)


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