Wahl in Niederösterreich: Rechte im Aufwind, Kanzlerpartei geschwächt


News Redaktion
International / 29.01.23 20:57

Österreichs rechte FPÖ hat bei der Landtagswahl in Niederösterreich fast ein Viertel der Stimmen erhalten. Bei der Wahl im grössten Bundesland, die auch als bundespolitischer Stimmungstest galt, konnte sich die konservative Kanzlerpartei ÖVP als stärkste Kraft behaupten. Doch sie verlor laut Hochrechnungen etwa 10 Prozentpunkte und somit die absolute Mehrheit im Landesparlament sowie voraussichtlich auch in der Landesregierung.

Herbert Kickl (l), Bundesparteichef der FPÖ, und Udo Landbauer, Spitzenkandidat der FPÖ Niederösterreich. Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa (FOTO: Keystone/APA/Helmut Fohringer)
Herbert Kickl (l), Bundesparteichef der FPÖ, und Udo Landbauer, Spitzenkandidat der FPÖ Niederösterreich. Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa (FOTO: Keystone/APA/Helmut Fohringer)

"Der FPÖ ist es gelungen, aus dieser Landeswahl eine Bundeswahl zu machen", sagte die niederösterreichische ÖVP-Chefin und Ministerpräsidentin Johanna Mikl-Leitner. Ihre von Korruptionsermittlungen und globalen Krisen belastete Partei rutschte auf 39,9 Prozent - ihr schlechtestes Ergebnis seit 1945. Einen Rücktritt schloss Mikl-Leitner am Wahlabend jedoch aus.

Die FPÖ legte um mehr als 9 Prozentpunkte auf 24,2 Prozent zu und erreichte damit ihr bestes Ergebnis in dem östlichen Bundesland. Die Rechten waren angetreten, um das "System ÖVP" in Niederösterreich zu beenden, wie Landesparteichef Udo Landbauer immer wieder betonte. Damit meinte er die jahrzehntelange Dominanz der Konservativen, die sich unter anderem in parteipolitisch motivierten Postenbesetzungen bis in die Gemeindeebene widerspiegelt. Ausserdem machte Landbauer die von Kanzler Karl Nehammer geführte ÖVP für den starken Anstieg der Asylbewerber-Zahlen im Vorjahr verantwortlich.

Die sozialdemokratische SPÖ fiel laut den Hochrechnungen mit 20,6 Prozent hinter die FPÖ zurück. Die Grünen lagen bei 7,6 Prozent, die liberalen Neos bei 6,7 Prozent. Die Hochrechnung basierte auf den bereits gänzlich ausgezählten Stimmen aus den Wahlurnen sowie einer Prognose der Briefwahlstimmen, die erst zu Wochenbeginn gezählt werden.

Die 1,3 Millionen Wahlberechtigten trafen ihre Entscheidung laut Umfragen nach bundespolitischen und globalen Themen wie Inflation, Umwelt und Klima, sowie Migration. Die ÖVP hatte vor und während des Wahlkampfes mit mangelndem Wählervertrauen wegen Korruptionsermittlungen im Zuge des Ibiza-Skandals zu kämpfen. "Das sind schlechte Zeiten für Regierende, weil die Menschen unzufrieden sind mit der Situation", sagte Kanzler Nehammer zum Wahlergebnis.

"Man hat die Korruption abgewählt", sagte FPÖ-Bundesparteimanager Christian Hafenecker am Sonntagabend. "Das ist der Beginn", fügte er mit Blick auf die Landtagswahlen in Kärnten im März und in Salzburg im April hinzu. In bundesweiten Umfragen liegt die oppositionelle FPÖ seit Wochen an erster Stelle vor der SPÖ und vor der ÖVP auf dem dritten Platz.

Die nächste bundesweite Parlamentswahl in Österreich steht jedoch erst 2024 an. FPÖ-Parteichef Herbert Kickl hat dennoch vor einigen Wochen eine breite Plakatkampagne mit den Slogans "Festung Österreich - Grenzen schliessen - Sicherheit garantieren" gestartet. Auf den Werbeflächen trägt Kickl einen militärgrünen Parka mit rot-weiss-rotem Österreich-Wappen.

Politikwissenschaftler erwarten noch keine unmittelbaren Auswirkungen der Niederösterreich-Wahl auf die Koalitionsregierung zwischen ÖVP und Grünen. Das könnte sich jedoch bei weiteren ÖVP-Verlusten und FPÖ-Gewinnen in Kärnten und Salzburg noch ändern. Doch selbst wenn es vorgezogene Neuwahlen gäbe, wäre auch bei einem FPÖ-Sieg ein rechter Kanzler keine ausgemachte Sache: Bundespräsident Alexander Van der Bellen signalisierte vor wenigen Tagen, dass er Kickl keinen Regierungsauftrag erteilen wolle.

(sda)


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