Weltstrafgericht erlässt Haftbefehl gegen Russlands Präsident Putin


News Redaktion
International / 17.03.23 18:17

Der Internationale Strafgerichtshof hat wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Das teilte das Gericht am Freitag in Den Haag mit. Putin sei mutmasslich verantwortlich für die Deportation ukrainischer Kinder aus besetzten Gebieten nach Russland. Einem entsprechenden Antrag des Chefanklägers Karim Khan auf Ausstellung eines Haftbefehls hatten die Richter stattgegeben. Zur Zeit hat dieser Haftbefehl aber vor allem eine symbolische Bedeutung. Denn ein Prozess gegen Putin scheint ausgeschlossen.

ARCHIV - Putin soll als Befehlshaber des Kriegs in der Ukraine zur Verantwortung gerufen werden. Foto: Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa (FOTO: Keystone/Pool Sputnik Kremlin/AP/Mikhail Metzel)
ARCHIV - Putin soll als Befehlshaber des Kriegs in der Ukraine zur Verantwortung gerufen werden. Foto: Mikhail Metzel/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa (FOTO: Keystone/Pool Sputnik Kremlin/AP/Mikhail Metzel)

Es ist der erste Haftbefehl, den das Gericht im Zusammenhang mit mutmasslichen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen hat. Das Gericht erliess auch einen Haftbefehl gegen Maria Lwowa-Belowa, die russische Beauftragte für Kinderrechte. Auch ihr werden Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit der Deportation ukrainischer Kinder zur Last gelegt.

Putin soll als Befehlshaber zur Verantwortung gerufen werden. Er habe seine zivilen oder militärische Untergebenen unzureichend kontrolliert, wird der Verdacht begründet. Der genaue Text der Haftbefehle wird nicht veröffentlicht, um Opfer und Zeugen zu schützen, wie das Gericht mitteilte.

Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass Putin tatsächlich auch in Haft genommen und in eine der Zellen des Gerichts im Nordseebad Scheveningen eingesperrt wird. Das Gericht mit Sitz in Den Haag verfügt über keine eigene Polizeimacht, die den Präsidenten festnehmen könnte. Es ist derzeit auch illusorisch zu denken, dass Russland seinen eigenen Präsidenten dem Gericht ausliefern würde.

Aber ein solcher internationaler Haftbefehl schränkt Putins Bewegungsfreiheit weiter ein. Sobald er in ein Land reist, das den Grundlagenvertrag des Gerichts ratifiziert hat, droht ihm die Festnahme. Denn alle Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Haftbefehle auszuführen.

Momentan scheint ein Prozess gegen den russischen Präsidenten in Den Haag aber ausgeschlossen. Russland erkennt das Gericht nicht an. Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Maria Sacharowa, hatte erst am Donnerstag in einer Pressekonferenz zu möglichen Haftbefehlen gegen Russen gesagt: "Mit dem Organ arbeitet Russland nicht zusammen. Und mögliche Haft-"Rezepte", die von dem Internationalen Gericht ausgehen, sind für uns juristisch nichtig." Die Entscheidungen des Gerichts hätten keine Bedeutung für Russland. Das Gericht darf ausserdem keine Prozesse in Abwesenheit der Angeklagten führen.

In Russland reagierte auch der prominente Aussenpolitiker Leonid Sluzki entsetzt auf den Haftbefehl gegen Kremlchef Putin. Er warf dem Gerichtshof in Den Haag vor, sich vom Westen politisch instrumentalisieren zu lassen. Es gehe um eine "propagandistische Wirkung im Westen". Das Gericht solle vielmehr einen Haftbefehl gegen den "ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und seine Bande" sowie gegen seine "westlichen Beschützer" ausstellen. "Sie sind die wahren Kriegsverbrecher", sagte Sluzki weiter.

Ob es zum Prozess gegen Putin kommen wird, ist ungewiss. Das Weltstrafgericht in Den Haag erkennt zwar keine Immunität an und will auch hohe Staatsrepräsentanten verfolgen. Doch wie schwer das ist, zeigt der Fall des früheren Präsidenten des Sudan, Omar Al-Bashir. 2009 erliess das Gericht einen internationalen Haftbefehl gegen ihn wegen des Verdachts auf Völkermord in der Region Darfur. Doch Al-Bashir wurde nie überstellt.

Die internationale Strafverfolgung von politischen oder militärischen Führern ist eine Sache des langen Atems. Charles Taylor etwa, der frühere Präsident von Liberia, wurde 2012 in Den Haag von einem Sondergericht wegen Kriegsverbrechen zu 50 Jahren Haft verurteilt.

Und auch das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien verurteilte den ehemaligen Serbenführer Radovan Karadzic und Ex-General Ratko Mladic zu lebenslanger Haft wegen Völkermordes. Jahrelang waren sie zuvor untergetaucht. Der serbische Ex-Präsident Slobodan Milosevic stand zwar vor den UN-Richtern, starb allerdings vor einer Verurteilung.

Ein Prozess gegen Putin ist also nicht unbedingt ausgeschlossen, wenn auch bei den heutigen politischen Bedingungen unvorstellbar. Die Ausstellung des Haftbefehls ist vor allem ein Signal des Internationalen Strafgerichtshofes, dass es mit der strafrechtlichen Verfolgung von mutmasslichen Kriegsverbrechen in der Ukraine ernst macht.

Obgleich die Ukraine das Römische Statut des Internationalen Gerichtshofs nicht ratifiziert hat, erkennt Kiew die Befugnis der Richter für seit 2014 auf ukrainischem Staatsgebiet verübte Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen die Ukraine an. 2015 übergab der ukrainische Aussenminister Pawlo Klimkin in Den Haag eine entsprechende Erklärung. Kurz nach Ausbruch des Krieges hatte Chefankläger Khan bereits Ermittlungen in der Ukraine aufgenommen.

(sda)


Anzeige

Das könnte Sie auch interessieren

Ein Eishockey-Verrückter im positiven Sinn
Sport

Ein Eishockey-Verrückter im positiven Sinn

Die Rapperswil-Jona Lakers verblüffen auch in dieser Saison. Grossen Anteil an der erstaunlichen Entwicklung hat Sportchef Janick Steinmann. Was zeichnet ihn aus?

Mann nach Brand in St-Pierre-de-Clages in Lebensgefahr
Schweiz

Mann nach Brand in St-Pierre-de-Clages in Lebensgefahr

Ein Mann ist bei einem Wohnungsbrand in der Nacht auf Sonntag in St-Pierre-de-Clages VS schwer verletzt worden. Er befinde sich in Lebensgefahr, teilte die Kantonspolizei mit.

Lara Gut-Behrami Vierte - Weiterer Sieg für Mikaela Shiffrin
Sport

Lara Gut-Behrami Vierte - Weiterer Sieg für Mikaela Shiffrin

Lara Gut-Behrami verpasst zum Saisonabschluss das Podest. Die Tessinerin belegt im Riesenslalom beim Weltcup-Final in Soldeu Platz 4. Mikaela Shiffrin ist erneut nicht zu schlagen.

Kanton Luzern braucht bis 2033 über 31'000 Wohnungen
Wirtschaft

Kanton Luzern braucht bis 2033 über 31'000 Wohnungen

Wächst die Bevölkerung des Kantons Luzern in den nächsten elf Jahren wie prognostiziert, braucht es laut den Immobilien-Experten der Luzerner Kantonalbank über 31'000 zusätzliche Wohnungen. Dazu sei eine bauliche Verdichtung nötig.