Die Staatsanwaltschaft beantragte eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren und vier Monaten, die Verteidigung von 3 Jahren und 6 Monaten. Der Verteidiger argumentierte, seine Mandantin habe keine Absicht gehabt ihren Kollegen zu töten oder den Polizisten schwer zu verletzen.
Einigkeit herrschte, dass die 20-Jährige, welche die Taten als 17- und 18-Jährige begangen hatte, eine ambulante Behandlung benötige, damit die Rückfallgefahr stark reduziert werden könne. Die Beschuldigte leidet gemäss einem Gutachten an einem Borderline-Syndrom und den Folgen einer Vergewaltigung. Ihr wurde deswegen auch eine verminderte Schuldfähigkeit zugestanden.
Die Frau, die am Prozess Fussfesseln tragen musste, gab dem Gericht ruhig, klar und überlegt Antwort. Sie berichtete über ihren Alltag im vorgezogenen Strafvollzug, die Fortschritte, die sie dank der Therapie mache, und ihre schwierige Beziehung zu den Eltern.
Vom vorsitzenden Richter gefragt, wieso sie ihrem Bekannten in den Hals gestochen habe, sagte sie: "Ich würde selber gerne wissen, wieso ich zustach." Sie könne sich an die Tat nur in unzusammenhängenden Bildern erinnern. Gefragt, wieso sie ein Messer mit neun Zentimeter langer Klinge bei sich hatte, antwortete sie, dass sie damals immer ein Messer auf sich getragen habe.
Die Beschuldigte hatte sich mit dem Bekannten in Zug getroffen und stach ihm, in der Darstellung des Staatsanwalts "wie aus heiterem Himmel", auf offener Strasse in den Hals. Das Opfer sei einem Todesrisiko ausgesetzt gewesen, sagte er, die Beschuldigte habe ihre Fertigkeiten als ausgebildete Fechterin eingesetzt und sich damit der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig gemacht.
Das Opfer war in die Beschuldigte verliebt, sie hatte sich ihm gegenüber aber als homosexuell geoutet. Der Mann habe sich korrekt verhalten, sagte der Verteidiger. Trotzdem sei für seine Mandantin das Verhalten des Mannes herausfordernd und irritierend gewesen.
Der Verteidiger begründete dies mit der Persönlichkeitsstörung, unter welcher seine Mandantin leide, und weil sei als 15-Jährige vergewaltigt worden sei, von einem "Alibi-Freund", den sie als Homosexuelle damals gehabt habe. Auch habe sie sich privat in einer schwierigen Situation befunden.
Eine Rolle gespielt haben könnte auch das Wort "Geschlechtsverkehr", das offenbar gefallen war, auch wenn unklar blieb, in welchem Zusammenhang. Annäherung habe bei seiner Mandantin Ekel ausgelöst, erklärte der Verteidiger. Sie habe das Verhalten des Bekannten nicht bewerten können, und so sei es zu aggressiven Impulsen gekommen.
Der Verteidiger betonte zudem, dass seine Mandantin das Messer nicht bei sich hatte, um diese Tat zu begehen. Sie habe sich folglich nur der schweren Körperverletzung schuldig gemacht.
Bereits als 17-Jährige randalierte die Beschuldigte zudem in zwei Jugendheimen - in Rage und Panik, wie sie vor Gericht sagte. Sie bedrohte laut Staatsanwaltschaft Angestellte und ging auch gegen die zur Hilfe gerufene Polizei vor.
Einen Polizisten verletzte die junge Frau mit einem Schlagstock so schwer, dass er noch heute unter Sehstörungen leidet. Der Staatsanwalt sprach von einer unverhältnismässigen und unverständlichen Gewalt und taxierte die Tat als schwere Körperverletzung.
Die Beschuldigte sagte dazu, sie habe nicht gezielt zugeschlagen. Sie sei überfordert gewesen und habe um sich geschlagen. Ihr Verteidiger sagte, seine Mandantin habe niemanden verletzen wollen und nicht skrupellos gehandelt. Sei sei deswegen nur der einfachen Körperverletzung schuldig zu sprechen.
Zum Schluss der Verhandlung entschuldigte sich die junge Frau bei den Opfern. Sie bereue sehr, was sie getan habe. Sie wolle aus dem Vergangenen lernen und hart an sich arbeiten.
Das Urteil wird am Donnerstagvormittag bekannt gegeben.
(sda)