Im Schatten des Ukraine-Kriegs lädt Putin zum Brics-Gipfel
In Kasan, Hauptstadt der muslimisch geprägten Teilrepublik Tatarstan an der Wolga, werden bis Donnerstag 24 ausländische Staats- und Regierungschefs erwartet. Die Abkürzung Brics steht für die Anfangsbuchstaben der ersten fünf Mitglieder der Staatengruppe aufstrebender Industrienationen: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
Wichtigster Gast in Kasan ist der chinesische Staatschef Xi Jinping, mit dem Putin am Dienstag bilateral sprechen wird. 36 Länder sind nach Angaben von Putins Berater Juri Uschakow vertreten. In den Unterredungen des Kremlchefs mit Gästen wie UN-Generalsekretär António Guterres werde auch die Ukraine Thema sein, kündigte Uschakow an.
Westliche Länder bemühen sich unterdessen um weitere Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte bei einem Besuch in Kiew Militärhilfe im Wert von 400 Millionen US-Dollar (knapp 370 Millionen Euro) zu. Grossbritannien bestätigte seinen Anteil an einem Kredit über 50 Milliarden US-Dollar für die Ukraine, der durch Zinserträge aus eingefrorenem russischen Vermögen abgesichert werden soll. Den Kredit hatten die sieben grossen westlichen Industriestaaten USA, Kanada, Grossbritannien, Italien, Japan, Frankreich und Deutschland (G7) im Juni beschlossen.
Putin sieht Brics als Gegengewicht zur G7
Gerade den G7-Staaten will Putin mit der Brics-Gruppe Paroli bieten. Er sieht die Staatengruppe als Möglichkeit, die Vorherrschaft der USA in der internationalen Politik zu brechen und eine neue multipolare Weltordnung aufzubauen. Dem Staatenbund sind nach den Gründungsmitgliedern inzwischen auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten, Äthiopien und der Iran beigetreten. Das Nato-Mitglied Türkei will als Interessent in Kasan teilnehmen.
Bei dem Gipfel hofft Russland darauf, vor allem die finanzielle Zusammenarbeit voranzutreiben. Es gehe um eine Alternative zum westlichen System des Finanzdatenaustauschs Swift und um den Aufbau einer gemeinsamen Bank, teilte Putin vor dem Gipfel mit. Allerdings folgen nicht alle Brics-Mitglieder dem antiwestlichen Kurs des Kremlchefs. Staaten wie Indien und Brasilien pflegen aussenpolitische und wirtschaftliche Kooperationen in viele Richtungen.
Brics-Staaten mit eigenen Rollen im Ukraine-Krieg
Kaum eines der vertretenen Länder hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verurteilt. Der Iran unterstützt Russland gar militärisch, über China bekommt Russland Rückendeckung und Zugang zu waffentauglicher Technologie. Zugleich haben die Brics-Mitglieder China, Brasilien und Südafrika jeweils eigene Vorschläge für ein Ende der Kämpfe in der Ukraine gemacht. Keiner davon weicht aber weit von der russischen Position ab; für Kiew sind die Vorschläge durchweg unannehmbar. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben mehrmals hinter den Kulissen den Austausch von Gefangenen zwischen Russland und der Ukraine vermittelt.
Der Gipfel im dafür herausgeputzten Kasan findet unter enormen Sicherheitsvorkehrungen statt. Teile der Stadt sind für die Konferenz abgesperrt. Um die Strassen während der Gipfeltage zu leeren, wurden Kinder in verlängerte Ferien geschickt, viele Arbeitnehmer ins Home-Office.
USA rüsten Ukraine mit 400 Millionen Dollar auf
US-Verteidigungsminister Austin traf in der ukrainischen Hauptstadt mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Verteidigungsminister Rustem Umjerow zusammen. «Ich bin zum vierten Mal als Verteidigungsminister in die Ukraine gereist, um zu zeigen, dass die Vereinigten Staaten zusammen mit der internationalen Gemeinschaft weiterhin an der Seite der Ukraine stehen», schrieb Austin auf der Plattform X. Putins Krieg gefährde die europäische Sicherheit, sagte er in Kiew.
Dem US-Verteidigungsministerium zufolge umfasst das neue Paket Munition für Raketenwerfersysteme vom Typ Himars, Artilleriemunition und Mörsergranaten. Zudem würden weitere Transportpanzer, Handfeuerwaffen und zugehörige Patronen bereitgestellt. Die USA aus militärischer und finanzieller Sicht der wichtigste Unterstützer des osteuropäischen Landes seit Beginn des Kriegs im Februar 2022.
Mehr als zwei Milliarden Pfund aus London für Kiew
Grossbritannien plant für die Ukraine einen Kredit über 2,26 Milliarden Pfund (etwa 2,71 Milliarden Euro), wie die britische Nachrichtenagentur PA meldet. Er solle mit Gewinnen aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten finanziert werden. Dies sei der britische Beitrag zu dem 50-Milliarden-Kreditpaket, auf das sich die G7 geeinigt habe. Das Geld könne für Flugabwehrsysteme, Artillerie und andere militärische Ausrüstung genutzt werden. Finanzministerin Rachel Reeves habe der Ukraine die unerschütterliche Unterstützung ihres Landes zugesagt.
Selenskyj ruft Soldaten zum Durchhalten in Kursk auf
Selenskyj rief seine Soldaten zum Durchhalten auf dem eroberten Brückenkopf im russischen Gebiet Kursk auf. Entgegen vieler Berichte, dass russische Truppen die Ukrainer dort wieder zurückdrängten, sagte Selenskyj in einer Videobotschaft: «Wir halten unsere Stellung, und ich danke jedem Soldaten für seine Tapferkeit.» Er habe mit Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj und Generalstabschef Anatolij Barhylewytsch über die Lage beraten.
«Wir dürfen nicht vergessen, dass die Kursk-Operation einem strategischen Zweck dient. Der Krieg muss in das Gebiet zurückkehren, von dem er ausgegangen ist», sagte Selenskyj. Mit dem überraschenden Vorstoss von Anfang August hatte die Ukraine erstmals den Bodenkrieg auf russisches Territorium getragen.