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Luzerner Prozess um versuchte Tötung endet nach einer Stunde

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Luzerner Prozess um versuchte Tötung endet nach einer Stunde

3. September 2024, 14:10 Uhr
Ein Mann soll einen Mitarbeiter auf einer Baustelle in Eich in einen Schacht gestossen haben. Der Prozess fand am Dienstagnachmittag statt. (Archivbild)
© KEYSTONE/URS FLUEELER
Bereits nach einer Stunde hat das Luzerner Kriminalgericht den Prozess um eine versuchte vorsätzliche Tötung auf einer Baustelle in Eich für beendet erklärt. Der Beschuldigte war bis zum Prozessbeginn nicht auffindbar und konnte dementsprechend nicht befragt werden.

Mutmasslich halte sich der Beschuldigte in seinem Heimatland Polen auf, ging aus dem Gerichtsprozess vom Dienstag hervor. Der 37-Jährige war Ende Oktober 2022 nach einer 27-tägigen Untersuchungshaft entlassen worden. Seither konnte kein Kontakt mehr mit ihm aufgenommen werden, sagte sein Verteidiger. Die genauen Gründe der Entlassung schienen weder die Verteidigung noch die Staatsanwaltschaft zu kennen.

Es bestand eine «Feindschaft»

Aussagen des Beschuldigten zufolge habe er das Opfer nicht verletzen wollen, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Er habe sich lediglich einen «Spass» mit ihm erlaubt. Dieses Motiv sei nicht nachvollziehbar.

Zwischen dem Beschuldigten und dem Opfer habe es nach Aussagen von Mitarbeitenden «Feindschaften» gegeben. Während der Arbeit sei es häufig zu Spannungen gekommen. Beispielsweise habe der Beschuldigte während eines gemeinsamen Mittagessens russisches Roulette mit einem Messer gespielt. Er habe das Messer auf den Tisch gelegt, es gedreht und die Messerspitze immer wieder auf dem Opfer sowie dessen Arbeitskollegen landen lassen.

Der besagte Arbeitskollege sei auch Augenzeuge an jenem Tag gewesen, so die Staatsanwältin. Dieser habe beobachtet, wie der Beschuldigte von hinten auf das Opfer zuging und es schliesslich mit einem harten Fusstritt ins Gesäss in den Schacht beförderte.

Vor der Tat sei der Beschuldigte dabei gesehen worden, wie er in den 4,5 Meter tiefen Schacht blickte, als würde er etwas abwägen. Nach der Tat habe er seine Schuhe gewechselt, um die Tat zu vertuschen.

Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren sowie einen Landesverweis von zwölf Jahren. «Selbst wenn er nicht wollte, dass das Opfer starb, so hat er es dennoch in Kauf genommen.» Die Anwältin des Privatklägers - das Opfer - forderte einen Schadensersatz von rund 32'000 Franken inklusive Genugtuung.

Verteidiger argumentiert für «Unfall»

Der Verteidiger forderte in seinem Plädoyer den Freispruch und einen Verzicht auf einen Landesverweis. Die geforderte Schadensersatzsumme bezeichnete er als «überrissen».

Es sei belegt, dass sein Mandant dem Opfer einen Tritt verpasst habe. Doch in den Einvernahmen hätte der Beschuldigte mehrmals geäussert, sich an die Tat sowie an den Beweggrund nicht erinnern zu können. Es bleibe also unklar, ob er das Opfer wirklich zu töten versuchte oder nicht.

Das Motiv sei völlig unklar, so der Verteidiger. Was hätte sein Mandant davon gehabt, das Opfer in den Schacht zu stossen? Er warf die Frage in den Raum, ob es nicht viel mehr ein Unfall gewesen sei. Der Beschuldigte habe dem Opfer einen Schrecken einjagen wollen.

Hinsichtlich des Augenzeugen meinte der Verteidiger, dass dieser mit dem Opfer gut befreundet sei. Der Zeuge sei der festen Meinung, dass es sich um einen vorsätzlichen Tritt handelte. Doch Zeugenaussagen könnten fehlerhaft sein. «Hat er ein Stossen gesehen oder wollte er es nur sehen?»

Parteien verzichten auf Gutachten

Der Richter fragte Staatsanwaltschaft und Verteidigung, ob ein forensisch-psychiatrisches Gutachten durchgeführt werden sollte. Beide Parteien lehnten dies ab.

Es habe zum Untersuchungszeitpunkt keine Anhaltspunkte gegeben, welche auf eine psychische Störung des Beschuldigten schliessen liessen, sagte die Staatsanwältin. Sie bezweifle auch, dass ein solches Gutachten nach so langer Zeit aufschlussreiche Erkenntnisse liefern könnte.

Der Verteidiger mutmasste, dass ein solches Gutachten damals wohl nicht gemacht worden war, da sich die Staatsanwaltschaft nicht sicher war, ob es sich um eine Straftat handelte. Er stellte in Frage, ob ein solches Gutachten überhaupt noch durchführbar sei, schliesslich sei der Beschuldigte nicht auffindbar.

Das Urteil wird in den kommenden Wochen schriftlich verkündet.

Quelle: sda
veröffentlicht: 3. September 2024 14:10
aktualisiert: 3. September 2024 14:10