Regionale Macht in Russland fest in der Hand des Kremls
Die zentrale Wahlkommission in Moskau und ihre regionalen Ableger meldeten eine höhere Wahlbeteiligung als in früheren Jahren. Russland fasst anstehende Regional- und Kommunalwahlen traditionell Anfang September zusammen. Beobachter wie die als Auslandsagent eingestufte Wahlrechtsorganisation Golos (Stimme) wiesen aber darauf hin, dass die Staatsmacht die Beteiligung künstlich nach oben getrieben habe.
Treibt Gefahr fürs Vaterland die Wähler zur Abstimmung?
Die von Präsident Wladimir Putin eingesetzte Wahlleiterin Ella Pamfilowa stellte es so dar, als habe die Gefahr für Russland, der Einmarsch ukrainischer Truppen in das Gebiet Kursk, die Wählerinnen und Wähler angespornt. «Die Menschen haben maximale Verantwortung, Tapferkeit, wirklichen Bürgermut bewiesen», sagte Pamfilowa in Moskau.
Als Beteiligung wurden beispielsweise 42,2 Prozent für Kaliningrad im Westen, 41,95 Prozent für die Insel Sachalin im Osten und 54 Prozent für Sewastopol auf der russisch besetzten Halbinsel Krim angegeben.
Insgesamt liefen von Freitag bis Sonntag im flächenmässig grössten Land der Erde rund 4.000 verschiedene Abstimmungen. Mehr als 57 Millionen Menschen waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Unter anderem wurden 21 Regionalgouverneure oder Oberhäupter von Teilrepubliken gewählt. Dazu kamen zahlreiche Stadt- oder Regionalparlamente. Eine echte Opposition war bei den Wahlen nicht zugelassen.
«Wir sehen sehr selbstbewusste, hohe Ergebnisse für die Partei der Macht», kommentierte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Demnach setzte Geeintes Russland alle seine Kandidaten für Gouverneursposten durch. Einen Denkzettel gab es für das Oberhaupt der nördlichen Millionenstadt St. Petersburg, Alexander Beglow. Ihm wurde ein Ergebnis von knapp 60 Prozent zugeschrieben - das schwächste Resultat bei den regionalen Spitzenposten.
In Russlands am ehesten westlich geprägter Stadt gilt Beglow (68) wegen seiner Misswirtschaft als unbeliebt; der Kreml hält trotzdem an ihm fest. In der Heimatstadt von Präsident Wladimir Putin beklagten Beobachter besonders viele Wahlmanipulationen.
Viele Gouverneure bei knapp 80 Prozent
In anderen Regionen wurden für die Amtsinhaber meist Resultate um die 80 Prozent verkündet, so für Igor Babuschkin im Gebiet Astrachan (78,17 Prozent) oder Wladimir Wladimirow im Gebiet Stawropol (79,61 Prozent). Für den Republikschef von Baschkortostan, Radij Chabirow, sollen 80,21 der Bürger gestimmt haben. Dabei hatte er Anfang 2024 Proteste gegen die Verurteilung eines örtlichen Umweltaktivisten niederschlagen lassen.
Im Gebiet Kursk, das teilweise von ukrainischen Truppen besetzt ist, wurden dem kommissarischen Gouverneur Alexander Smirnow etwa 65 Prozent zugeschrieben. Er hatte bei öffentlichen Auftritten eine eher unglückliche Figur gemacht angesichts der für Russland aussergewöhnlichen Krise, dass Teile des Staatsgebietes unter fremder Kontrolle stehen. Für etwa 120.000 Flüchtlinge aus der umkämpften Region gab es eigene Wahllokale.
Russische Wahlen nur noch eine «spassige Prozedur»?
Viele staatliche Arbeitgeber hätten ihre Angestellten zur Stimmabgabe gedrängt, schrieben die Wahlbeobachter von Golos in ihrem Bericht. Der Druck sei aber weniger hoch gewesen als bei der Präsidentenwahl vom März, bei der Putin dann eine Rekordzustimmung von 88,5 Prozent für sich in Anspruch nahm.
Golos bemängelte, dass zunehmend nicht Stimmzettel, sondern die schwer kontrollierbaren Wahlautomaten zum Einsatz kommen. Nicht linientreue Bewerber und Bewerberinnen seien an einer Kandidatur gehindert worden. Die staatlich kontrollierten Medien hätten im Wahlkampf eine Debatte über reale Probleme verhindert. Für die russischen Wähler seien Wahlen zu einer «spassigen Prozedur mit Online-Abstimmung, Gewinnspielen, Spielfiguren und Kuchen im Wahllokal» verkommen.