Zwei Volksabstimmungen nach Ratsreferenden im St. Galler Kantonsrat
Die SVP-Fraktion hatte das Ratsreferendum gegen den höheren Ausgleich für die Zentrumslasten der Stadt St. Gallen schon vor der Wintersession angekündigt. Dafür brauchte es 40 Stimmen. Bei der Schlussabstimmung setzte die SVP mit der Unterstützung einer einzigen Stimme aus der Mitte-EVP-Fraktion mit 43 Stimmen das Ratsreferendum durch.
SVP-Fraktionschef Sascha Schmid sprach vor der Abstimmung von «angeblichen Zentrumslasten» und zog das Ergebnis der externen Studie in Zweifel, die die Stadt St. Gallen in Auftrag gegeben hatte. Die Stadt müsse ihre finanziellen Probleme selber lösen, sagte er. Dafür sollten nicht alle Steuerzahler im Kanton aufkommen müssen. Die SVP wolle «keine weitere Extrawurst für die Kantonshauptstadt».
«Winterthur, Lugano oder Luzern»
Andrin Monstein (GLP) erklärte, es gehe um einen Ausgleich für Zentrumslasten, die St. Gallen nachweislich für die Bevölkerung ausserhalb der Kantonshauptstadt erbringe. Die Stadt St. Gallen solle man nicht mit Buchs oder Rapperswil-Jona vergleichen, wie es die SVP tue, sondern mit «Winterthur, Lugano oder Luzern».
Wiederholt wurde in der Debatte von verschiedenen Rednerinnen und Rednern vor einem Abstimmungskampf gewarnt, der den Stadt- Land-Graben vertiefe. Rolf Huber (FDP), Präsident der Vereinigung der St. Galler Gemeindepräsidien (VSGP), stellte fest, dass es sich bei der Vorlage um einen Kompromiss handle, mit dem sich die Gemeinden grossmehrheitlich einverstanden erklärt hätten.
Nun werden die Stimmberechtigten entscheiden, ob die Stadt St. Gallen für den Ausgleich von Zentrumslasten für vier Jahre jeweils zusätzlich 3,7 Millionen Franken erhalten soll. Bedingung für die Mittel wäre, dass die Kostenverteilung zwischen Stadt und Kanton bei der Polizei und der Kultur überprüft und allenfalls geändert wird.
Offene Läden bis 22 Uhr
Anders war die Konstellation, als es im Rat um die Schlussabstimmung über die Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ging. Gegen die Vorlage, nach der die Läden im Kanton von Montag bis Samstag von 5 bis 22 Uhr offen haben dürfen, wehrten sich jeweils mehrheitlich die SP-Grüne-GLP-Fraktion sowie die Mitte-EVP-Fraktion. Sie erreichten mit 50 Stimmen das Ratsreferendum.
Rückmeldungen hätten gezeigt, dass die Vorlage für das Verkaufspersonal «ein Schock» sei, sagte SP-Kantonsrat und Gewerkschafter Florian Kobler. «Wie sollen sie bei solchen Öffnungszeiten Familie und Beruf unter einen Hut bringen?», fragte er. Die Vorlage überspanne den Bogen, erinnerten die Grünen an den Vorschlag der Regierung, mit dem die Öffnungszeiten nur bis 20 Uhr verlängert worden wären.
Michael Schöbi (Mitte) betonte die Position des kantonalen Gewerbeverbandes. Eine Befragung der Mitglieder aus dem Detailhandel habe gezeigt, dass diese keine Änderungen bei den Öffnungszeiten wollten.
Vierte Abstimmung zum gleichen Thema
Aus den Reihen von FDP und SVP wurde argumentiert, es gebe nun die Möglichkeit, unnötige und einengende Gesetzesvorschriften zu streichen. Man müsse auf ein verändertes Konsumverhalten in der Bevölkerung reagieren. Es brauche für die Geschäfte keine staatliche Bevormundung. Raphael Frei (FDP) forderte «gleichlange Spiesse mit den umliegenden Kantonen».
Die 50 Stimmen für das Ratsreferendum kamen von SP, Grünen sowie aus der Mitte-EVP-Fraktion zusammen. Für die Liberalisierung waren FDP, GLP und SVP.
Im Kanton St. Gallen wird damit bereits zum vierten Mal über Änderungen bei den Ladenöffnungszeiten abgestimmt. Die drei Vorlagen von 1995, 2002 und 2004 waren alle an der Urne gescheitert.