Ermittlungen wegen möglichem Betrug bei Unterschriftensammlungen
«Die Verfahren laufen zurzeit gegen verschiedene natürliche Personen und gegen Unbekannt», teilte die Bundesanwaltschaft (BA) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Im Rahmen der betreffenden Verfahren hätten die BA und das Bundesamt für Polizei Hausdurchsuchungen und Einvernahmen durchgeführt.
Über die Vorwürfe berichteten am Montag zuerst die Tamedia-Zeitungen. Sie schrieben, Personen hinter der Service-Citoyen-Initiative hätten wegen vieler ungültiger Unterschriften Verdacht geschöpft und Strafanzeige eingereicht. Die fraglichen Unterschriften habe das Unternehmen Incop gegen Geld gesammelt.
Zum Teil seien offenbar ganze Bögen von älteren Volksbegehren abgeschrieben worden. Incop war für Keystone-SDA telefonisch zunächst nicht erreichbar.
Kein politisches Muster
Die Bundesanwaltschaft äusserte sich nicht dazu, um welche Initiativen es geht und gegen wen sich die Verfahren richten. Offenbar sind auch weitere Volksbegehren respektive kommerzielle Unterschriftensammler betroffen.
Bereits Anfang 2019 hätten sich mehrere Gemeinden wegen möglicher Betrugsfälle beim Kanton gemeldet, sagte Vincent Duvoisin, Chef der Abteilung Gemeinden und Kantone bei der Waadtländer Kantonsverwaltung, den Tamedia-Zeitungen. Daraufhin habe man die Gemeinden aufgefordert, Unregelmässigkeiten systematisch zu melden.
Ein klares politisches Muster ergab sich nach Angaben des Kantons Waadt dabei nicht. Unter dem guten Dutzend Volksbegehren, bei denen man am meisten fingierte Unterschriften festgestellt habe, seien sowohl solche aus dem rechts-konservativen Lager als auch solche mit ökologischen Anliegen - und Initiativen, die sich parteipolitisch nicht klar verorten lassen.
Bundeskanzlei ist aktiv
Zu den betroffenen Initiativen gehörten demnach die Pro-AKW-Initiative «Blackout stoppen», die SVP-Neutralitätsinitiative, die Massentierhaltungsinitiative und die Initiative für ein Importverbot für tierquälerisch erzeugte Pelzprodukte.
Eine der Strafanzeigen zum Thema stammt von der Bundeskanzlei, wie diese auf Anfrage bestätigte. Man habe die Anzeige 2022 eingereicht und seither mehrfach ergänzt. «Die Meldungen über Verdachtsfälle betreffen in unterschiedlichem Ausmass rund ein Dutzend eidgenössische Volksinitiativen», schrieb Sprecher Urs Bruderer.
Dabei gehe es schwergewichtig um Unterschriftenlisten aus Gemeinden der Westschweiz, wobei man aber seit letztem Winter auch zunehmend Verdachtsmeldungen aus der Deutschschweiz erhalte.
Verbot gefordert
Für die Bundeskanzlei sei es zentral, dass Verdachtsfälle von Unterschriftenfälschungen zur Anzeige gebracht würden, so Bruderer: «Die betreffenden Unterschriftenlisten wurden allesamt den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt.»
In ersten Reaktionen wurde der Ruf laut, das gewerbsmässige Sammeln von Unterschriften zu verbieten. Die Grünen wollten versuchen, ein solches Verbot so rasch wie möglich zu erreichen, schrieb etwa der Zürcher-Grünen Nationalrat Balthasar Glättli auf der Plattform X (vormals Twitter). «Käufliche Demokratie» müsse Grenzen haben.