«Typisch Emil» ist ein beeindruckender Film über Emil Steinberger
Alt sei, wer nicht mehr sehe, dass ihm Haare aus der Nase und den Ohren wachsen, sagt Emil. Seine Ehefrau Niccel lacht, und Emil stimmt ein. Gerade hatte sie auf seinen Wunsch hin ein Härchen gezupft.
Das ist eine der ersten Szenen des Films «Typisch Emil». Der Kabarettist wirft vor einem Auftritt einen letzten Blick in den Garderobenspiegel. Die Szene ereignete sich vor nicht langer Zeit, nach der Pandemie, als Emil Steinberger mit seinem Programm «Emil schnädered» unterwegs war.
Der Dokumentarfilm «Typisch Emil» lebt zu grossen Teilen von Ausschnitten aus Bühnenprogrammen. Egal in welchem Jahr Steinberger seinen Emil spielte, er machte das Publikum glücklich. Als Polizist, als Vater mit Kinderwagen, als Bergler, als Restaurantbesucher.
Seine legendären Sketche funktionieren bis heute. So ist der Dokumentarfilm in erster Linie ein riesengrosser Spass. Und er ist eine feierliche Hommage. Langjährige Wegbegleiter wie der Schriftsteller Franz Hohler, die Sängerin Vera Kaa oder der deutsche Journalist Hans Zippert erinnern sich an die kreative Kraft, die Emil Steinberger von Anfang herausstechen liess. Autor und Kabarettist Bänz Friedli lobt die hohe Kunst des Schauspielers, nie laut zu werden. «Emil ist lieb zu seinen Figuren und hat die Menschen gern.»
Wunsch, ein Niemand zu sein
«Typisch Emil» gräbt aber auch tiefer. So beleuchtet Regisseur Phil Meyer, der mit seinem Film über den Schweizer Kabarettisten seinen ersten langen Dokumentarfilm vorlegt, eine besonders schwierige Phase in Emils Laufbahn. Jene um das Jahr 1987, als dieser seine Karriere vorläufig beendete. Von einer «Enge» spricht der Künstler, als er sich im Film zurückerinnert. Von seinem damals sehr dringlichen Wunsch, «mal wieder ein Nobody» zu sein.
Emil war damals nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Deutschland, Frankreich und Italien bekannt. Die «Blick»-Aushänge mit mehr oder weniger wahren Schlagzeilen über ihn hat er gesammelt und zu einem eindrücklichen Gesamtbild verarbeitet. Sie haben ihn zuweilen belastet. Anfang der 1990er Jahre verabschiedete er sich nach New York. Dort kam er mit seiner zweiten Ehefrau, der Künstlerin Niccel Steinberger (ehemals Kristuf) zusammen, die er 1999 heiratete.
«Dummheit», fand die Mutter
Nachdenklich stimmen auch jene Passagen, in denen der erfolgreichste Schweizer Kabarettist aller Zeiten über das «steife Nest» erzählt, in dem er aufgewachsen ist. Über seine Mutter, die ihm seine Entscheidung für die Kunst (oder eben «Dummheiten») nie verziehen hat. Seinen ersten Emil-Auftritt hatte sie 1977 besucht. Das war im Circus Knie. Während ihn die Fans schweizweit belagerten, schwärmte seine Mutter nur von der Pferdenummer, wie Emil im Filmporträt erzählt.
Gewisse Familiensituationen baute er in seine Programme ein. Es ist ein cleverer Kniff des Regisseurs, das entsprechende Archivmaterial so in das Porträt einzuarbeiten, dass Emils Talent, schwierige Erfahrungen in Komik umzuwandeln, sichtbar wird. «Typisch Emil» ist also auch ein Film über einen Mann, der nie müde geworden ist, das Positive zu sehen.
Unmenge an Archivmaterial
In aktuelleren Filmszenen treibt Steinberger die Masse an Archivmaterial um, die sich über die Jahrzehnte in seinen Kisten und Ordnern angesammelt hat. Manchmal werde ihm fast schlecht, wenn er das alles sehe, sagt er einmal. Man kann sich vorstellen, dass auch Phil Meyer gut überlegen musste, worauf er in seinem Film das Augenmerk legen will. Bereiche in Emils Leben, wie etwa seine erste Ehe und die beiden Söhne, liess er aus. Um der Versöhnung Emils mit sich selbst als Bühnenfigur ausreichend Raum zu geben.
«Typisch Emil» legt die Vermutung nahe, dass Lachen das Geheimrezept für ein langes, glückliches Leben ist. Das Lachen, die Liebe und die Freiheit, sich kreativ auszuleben. Während 120 Minuten gibt es kaum eine Szene, in der der Protagonist nicht lacht oder das Kalb macht. Selbst dann, wenn er und Niccel sich zum Thema Tod äussern. Es se nicht sicher, dass ihr Mann vor ihr sterben werde, sagt sie. Aber rein altersmässig müsse man davon ausgehen. Worauf Emil erwidert, er würde die Welt auf jeden Fall erfüllt und «happy» verlassen. Aber damit wolle er sich Zeit lassen.
*Dieser Text von Miriam Margani, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.