Yvonne Gilli: «Suizidhilfe ist keine genuin ärztliche Aufgabe»
Angesichts des liberalen Schweizer Systems mahnte sie im Gespräch mit der «Neuen Zürcher Zeitung» zur Vorsicht, um Missbrauch vorzubeugen. Eine mögliche Öffnung für gesunde, aber lebensmüde Menschen sieht sie kritisch. «Einst musste der Tod kurz bevorstehen, wenn jemand Suizidhilfe wollte, heute sind wir beim Leiden als entscheidendem Kriterium», sagte sie weiter.
Auf die Frage, ob sie befürchte, dass Schweizer Ärztinnen und Ärzte unter Druck geraten könnten, Suizidhilfe leisten zu müssen, antwortete Gilli, sie schliesse eine gesellschaftliche Entwicklung in diese Richtung nicht aus.
Allerdings müsse jeder Arzt und jede Ärztin das Recht haben, Nein zu sagen, wenn es um medizinische Überzeugungen gehe. «Für mich ist klar, dass Suizidhilfe keine genuin ärztliche Aufgabe ist, auch wenn ich jene Ärzte wertschätze, die sich dazu bereit erklären», wird die Präsidentin des Berufsverbands weiter zitiert.
Laufendes Verfahren wegen Einsatz von Suizidkapsel
Die Diskussion um die Sterbehilfe wurde in jüngster Zeit durch die Anwendung der Sarco-Suizidkapsel in Merishausen SH neu entfacht. Gemäss der Sterbehilfeorganisation «The Last Resort» nahm sich eine 64-jährige US-Amerikanerin in der Kapsel das Leben. Sie habe seit vielen Jahren unter den Folgen einer Immunschwäche gelitten. Sarco habe so funktioniert wie geplant und der Frau einen medikamentenfreien Tod gebracht.
Genau zum selben Zeitpunkt wie Sarco im Wald von Merishausen erstmals angewendet wurde, sagte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP) bei der Fragestunde im Parlament, dass die Suizidkapsel nicht rechtskonform sei.
Mehrere Personen aus dem Umfeld der Organisation «The Last Resort» wurden vorübergehend festgenommen. Die Staatsanwaltschaft leitete gegen diese ein Verfahren wegen Verleitung und Beihilfe zu Selbstmord ein.