Das lange Warten auf die Premiere geht weiter
Franz Julen konnte einem leidtun. Der Mann, der seit Jahren von einem Weltcup-Rennen am Fusse des Matterhorns träumt, viel Energie in die Organisation gesteckt hat und dabei stets kritisch beäugt wurde, musste auch am Sonntag hinstehen und erklären, dass die Abfahrt nicht stattfinden kann. Nachdem im letzten Jahr der Schnee gefehlt hatte, gab es heuer zu viel davon. Dazu verunmöglichten die Windverhältnisse die Durchführung der beiden Rennen.
Der OK-Chef hielt jedoch fest, dass er «alles andere als ein gebrochener Mann» sei. «Es tut mir vor allem leid für die zahlreichen Helferinnen und Helfer, die aus der ganzen Welt hierhergekommen sind und einen riesigen Aufwand betrieben haben, damit die Rennen stattfinden können.» Von den sechs Rennen, die seit letztem Jahr geplant waren, konnte keines durchgeführt werden. Das Schicksal scheint es nicht gut zu meinen mit dem Organisationskomitee.
Die Fans, die ein Ticket gekauft haben - die beiden Rennen der Männer waren annähernd ausverkauft -, erhalten dies erstattet. Finanziell ist die Absage für die Veranstalter dank abgeschlossener Versicherung verkraftbar. Jedoch leidet das sowieso schon ramponierte Image, das nach den Baggerarbeiten ausserhalb der zulässigen Zone im Vorfeld der Rennen einen Tiefpunkt erreicht hatte.
Verlegung in Frühling unerwünscht
Tatsächlich müssen sich die Organisatoren fragen, wie sinnvoll der Anlass mitten im November ist. Von der Ski-Saison war in der vergangenen Woche in Zermatt jedenfalls wenig spürbar. Mehrere Hotels und Restaurants waren noch geschlossen, die Bahnen noch nicht alle in Betrieb, und die Werbe-Plakate im Dorf wiesen auf teils längst vergangene Anlässe hin.
Das OK sieht bezüglich des Datums trotz allem keine Alternative. Nach den Absagen im vergangenen Jahr wurde mit der FIS über eine Verlegung in die Frühlingsmonate März oder April diskutiert. Dies kam für die Verantwortlichen in Zermatt aber nicht infrage. Mitten in der Touristen-Saison wäre es schwierig, genug Unterkünfte für die Athletinnen und Athleten zu finden.
Ausserdem sei der Aufwand, im Frühling die Piste zu präparieren, noch höher, sagte Julen. «Zu diesem Zeitpunkt liegen fünf bis sieben Meter Schnee auf dem Gletscher, die wir zuerst wegstossen müssten. Und die Spalten müssten genauso geschlossen werden wie in den letzten Wochen.» Das Argument Nachhaltigkeit falle somit weg.
Es blieb also praktisch nur der November, der wettertechnisch jedoch viele Herausforderungen mitbringt. Der Start der Strecke «Gran Becca» befindet sich auf gut 3700 Metern über Meer, das Ziel liegt knapp 900 Meter darunter, was das Rennen in Zermatt/Cervinia zur höchstgelegenen Abfahrt des Weltcups macht. Damit herrscht zwar Schneesicherheit, dafür ist der Wind in dieser Höhe unberechenbar.
Entsprechend bitter liest sich die Zwischenbilanz in diesem Jahr. In fünf Tagen konnte einzig das Training vom Mittwoch durchgeführt werden.
Zu früh für ein abschliessendes Fazit
Die Bilder der in strahlendem Sonnenschein fahrenden Athleten nahm Julen, um auf das grosse Potenzial in Zermatt/Cervinia hinzuweisen. «Absagen aufgrund der äusseren Bedingungen hat es im Skisport immer gegeben und wird es immer geben.» FIS-Renndirektor Markus Waldner unterstützte die Aussage, indem er darauf hinwies, dass selbst die Abfahrtsklassiker am Lauberhorn oder in Kitzbühel zuletzt nicht von wetterbedingten Absagen verschont geblieben seien.
«Jetzt Schlüsse zu ziehen, weil zweimal abgesagt wurde, ist zu früh», hielten Waldner und Julen fest. Denn noch besteht die Chance, dass auf der «Gran Becca» eine Renn-Premiere gefeiert wird. Am kommenden Wochenende stehen zwei Frauen-Abfahrten im Programm. Der Fokus liege nun voll darauf, diese Rennen durchzuführen, sagte Waldner. Danach werde man das Geschehene «in aller Ruhe» diskutieren und Entscheide für die Zukunft treffen.
Auch Julen gab sich betont optimistisch und sprach von einem Fünfjahresplan, den sie mit der FIS aufgestellt haben. «Ich bin nach wie vor überzeugt von diesem Projekt», sagte der 65-Jährige und hielt beherzt fest: «Wir sind Bergler, wir sind Kämpfer. Wir geben nicht so schnell auf.»