Erstmals springen auch die Frauen am Titlis mit
Sina Arnet gehört zu den Menschen, bei denen das Glas immer halb voll ist. Schwierige Trainingsbedingungen, weil es in der Schweiz kaum Sprungschanzen gibt und der Sport bei den Frauen ein Mauerblümchendasein fristet? «Wir sind ein kleines Team, das bietet auch Chancen. Es kann sehr individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen eingegangen werden», findet sie. Kaum Beachtung in der Öffentlichkeit? «Das ist doch verständlich, wir hatten auch nicht die Mega-Erfolge eines Simon Ammann.»
Es gibt aber Hoffnung, dass sich das irgendwann ändert. Am Donnerstag (Qualifikation), Freitag und Samstag (je ein Wettkampf) springen erstmals auch die Frauen von der Titlis-Schanze. Mit Sina Arnet, der Glarnerin Emely Torazza und der Zürcher Oberländerin Rea Kindlimann werden drei junge Schweizerinnen am Start stehen. Für die 18-jährige Engelbergerin Arnet wird es ein echtes Heimspiel.
Noch in den Kinderschuhen
Sie freut sich, ihr Können endlich zeigen zu können. Denn die Reaktionen, wenn sie jemandem erzählt, dass sie Skispringerin ist, sind meist ähnlich. «Was machst du? Ach was, Frauen machen auch Skispringen?», erzählt die Mittelschülerin lachend. «Das ist ja mega cool, dass das auch Frauen machen, sagen sie dann, man sehe das so selten.» Während sich das Frauen-Skispringen in Deutschland, Österreich oder Norwegen, wo Skispringen generell populärer ist als in der Schweiz, etabliert hat, ging in der Schweiz nach einem zaghaften Aufschwung mit den Geschwistern Bigna und Sabrina Windmüller lange nichts mehr.
Im Februar standen Arnet und Torazza in Planica an der WM als erste Schweizerinnen seit neun Jahren bei einem Grossanlass auf dem Sprungturm. Arnet ist der Weltspitze schon etwas näher. An der WM gab es einen 33. Platz, im Mixed-Teamwettkampf wurde die Schweiz Siebte. Wenig später stellte Arnet in Lillehammer mit Platz 20 ihr Bestresultat auf, in den ersten beiden Weltcupspringen dieser Saison schaffte sie es ebenfalls zweimal knapp in den zweiten Durchgang und damit in die Punkteränge.
«Ich stehe noch recht am Anfang», ist sich Sina Arnet bewusst. Bei der Junioren-WM in Kanada war sie Neunte, im Weltcup geht es erst einmal darum, Erfahrungen zu sammeln – zumal in einem Winter ohne Grossanlass. «Das ist eine Riesenchance, um möglichst viel Erfahrung zu bekommen. Denn die fehlt mir noch brutal.»
Kein grosser Heimvorteil
Arnet besucht die 3. Klasse des Sportgymnasiums in Engelberg, zwei Jahre braucht sie im Normalfall noch bis zur Matura mit Schwerpunkt Wirtschaft. Die meisten Trainings neben der Schanze absolviert sie ebenfalls im Klosterdorf. Die grösste Naturschanze der Welt steht nämlich praktisch nur während der Weltcup-Woche zur Verfügung. Im Sommer reisen die Springerinnen für Schanzentrainings nach Einsiedeln, im Winter nach Kandersteg - oder ins Ausland. Auch hier streicht die Obwaldnerin die Chancen heraus. «Wenn man eine Schanze direkt vor der Haustür hat, besteht die Gefahr, dass man fast nur darauf trainiert.»
Einen eigentlichen Heimvorteil werden die Schweizerinnen in Engelberg also kaum geniessen. Dennoch findet es Arnet «mega cool, dass wir unser Können jetzt einmal zuhause zeigen können.» Auch das wird eine neue und wertvolle Erfahrung sein. Eine, die sie ihrem grossen Ziel, bei Olympia 2026 in Mailand/Cortina gute Resultate zu zeigen, näherbringen soll.