Höhenflug nach schwieriger Zeit
Hätte vor einem Jahr jemand zu Marco Lehmann gesagt, dass er ein Kandidat für die WM in Tschechien ist, «hätte ich wahrscheinlich schon gedacht, dass er etwas spinnt». Denn damals lag sein Fokus einzig und allein darauf, wieder komplett gesund zu werden. Der 25-jährige Stürmer hatte im Juli 2022 in den Ferien in Griechenland ein Virus aufgelesen, das langwierige Magenprobleme zur Folge hatte.
Lehmann konnte lange nicht normal essen, nahm fast zehn Kilogramm ab. «Viel besser ist es erst nach acht, neun Monaten geworden», erzählt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Befürchtete er gar das Karriereende? «Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass das nicht in meinem Kopf war - vor allem, weil wir nicht wussten, was zu machen war, damit es besser wird.»
Vor den fatalen Ferien war mit dem Wechsel von den Rapperswil-Jona Lakers zum SC Bern ein Herzenswunsch von Lehmann in Erfüllung gegangen - er schlief als Kind in SCB-Bettwäsche. Trotz der Beschwerden steht er in den ersten beiden Saisonspielen auf dem Eis. Am 7. und 9. Oktober versucht er es abermals, dann geht es nicht mehr. In der Spielzeit zuvor hatte ihm eine Hirnerschütterung zu schaffen gemacht, weshalb er bloss 24 Partien bestritt.
Umso höher sind die Leistungen in der abgelaufenen Saison in der National League einzustufen. In der Qualifikation gelangen Lehmann in 48 Spielen 14 Tore und 18 Assists, womit er der zweitbeste Skorer der Berner war. Am 9. November bestritt er am Karjala Cup in Tampere gegen Finnland (0:4) sein erstes Länderspiel, am vergangenen Freitag schoss er gegen Lettland (5:1) sein erstes Tor für das Nationalteam.
Lehmann ist lediglich 1,75 m gross und 75 kg schwer. «Es gab immer wieder Trainer, die angedeutet haben, dass ich zu klein und leicht sei», blickt er zurück. «Das war für mich jedoch eher ein Ansporn, um mich zu verbessern und meinen Weg dennoch zu machen.» Das gelang ihm dank seiner Schnelligkeit und Wendigkeit; die gute Schlittschuh-Technik ist auch auf das Training mit einer Eiskunstlauf-Lehrerin zurückzuführen. Nun will er noch etwas an Masse zulegen.
Sein primäres Ziel ist nun aber, es ins WM-Team zu schaffen. «Es brauchte etwas Zeit, bis das System klar war. Zudem geht es etwas schneller und härter zu und her als im Klub. Das ist allerdings eine gute Herausforderung, um mich weiter zu verbessern», sagt Lehmann. Bezüglich seiner Chance auf eine WM-Teilnahme gibt er sich pragmatisch: «Ich blockiere mich damit nicht. Das Wichtigste ist, Spass auf dem Eis zu haben. Ich gebe alles. Den Rest kann ich nicht beeinflussen.» Ohnehin hat er schon mehr geschafft als gedacht.