Im Süden Finnlands den EM-Titel bestätigen
25. November 2023, EM-Final in Aberdeen, letztes End, letzter Stein, es steht 5:5 zwischen der Schweiz und Italien. Die Zürcherin Alina Pätz steht vor einer mehr als kniffligen Aufgabe, zwei Steine der Italienerinnen liegen näher am Zentrum und sind gut geschützt. Doch sie hält dem maximalen Druck stand und reüssiert via einem seitlich im eigenen Haus liegenden eigenen Stein. Das Team CC Aarau ist zum ersten Mal Europameister.
Es ist eines von vielen Beispielen, in der Pätz ihre Nervenstärke bewiesen hat. Ist diese Fähigkeit gegeben? «Ein Stück weit schon», sagte die 34-Jährige im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Es würden jedoch verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. Sie habe während ihrer ganzen Karriere mentales Training gemacht, und auch die Erfahrung helfe.
Pätz ist sechsfache Weltmeisterin, beim ersten Titel 2012 war sie allerdings die Ersatzspielerin und kam nur einmal zum Einsatz. 2015 holte sie zum zweiten Mal WM-Gold, jedoch verpasste sie in der internen Ausscheidung gegen Silvana Tirinzoni die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2018 in Pyeongchang. Dort belegte Tirinzoni mit ihrer Equipe den 7. Platz, womit sie ein weiteres Mal an einem Grossanlass leer ausging - sie gewann bis dahin bei den Erwachsenen einzig Bronze an der Mixed-EM 2014.
Sagenhafte Erfolgsgeschichte nach Zusammenschluss
Im Mai 2018 wurde bekannt, dass sich Pätz und Tirinzoni zusammenschliessen. Weil beide zuvor die Skips ihrer Teams waren, musste diesbezüglich eine Lösung gefunden werden, die so aussieht, dass Tirinzoni der Skip der Equipe ist und Pätz auf der vierten Position spielt, die mehrheitlich der Skip innehat. «Wir fingen so an und es funktionierte», sagt Tirinzoni dazu.
Mit dem Zusammenschluss begann eine sagenhafte Erfolgsgeschichte. Die beiden holten neben dem EM-Titel viermal WM-Gold und schafften vier weitere Male an internationalen Meisterschaften den Sprung aufs Podest. Einzig eine Olympia-Medaille fehlt noch im Palmarès; 2022 in Peking schaute trotz der besten Bilanz in der Round Robin lediglich der 4. Platz heraus.
«Silvana ist strategisch sehr stark und ich beim letzten Stein. Das ergänzt sich optimal», sagt Pätz. Sie betont aber: «Es braucht immer vier in einem Team. Wir hatten das Glück, stets zwei sehr gute Mitspielerinnen neben uns zu haben.» Die 45-jährige Tirinzoni ergänzt: «Es ist nicht selbstverständlich, vier Spielerinnen zu finden, die bereit dazu sind, das gleiche Opfer zu bringen. Das ist die grösste Hürde. Man kann nicht gut leben vom Curling, reist viel und so weiter. Die Wichtigkeit der Steine der Spielerinnen auf den Positionen 1 und 2 wird manchmal unterschätzt. Sie sind zwar weniger spektakulär, aber nicht weniger wichtig.»
Aktuell nimmt Selina Witschonke die Lead- und Carole Howald die Second-Position ein. Die beiden haben im Vergleich zur vergangenen Saison die Rollen getauscht, das Team soll so noch stärker sein. Muss man vier Freundinnen sein? «Es macht es natürlich einfacher, sich gut zu verstehen», sagt Tirinzoni. «Aber Andersartigkeit verträgt es total. Es macht es spannender, wenn nicht alle gleich ticken.» Klar ist, dass die vier bis nach den Olympischen Spielen 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo zusammenbleiben. Wie es danach weitergeht, ist offen.
Taktisch und physisch stark
Was machen die Schweizerinnen besser als die meisten Gegnerinnen? «Wir sind sehr stark beim Wischen, und im taktischen Bereich sind wir vielen Mannschaften überlegen», sagt Tirinzoni. Alina Pätz fügt an, dass sie zudem sehr hart arbeiten würden - auch neben dem Eis. So stehen regelmässige Einheiten im Kraftraum respektive für die Ausdauer auf dem Programm. Körperlich stark zu sein, sei mega entscheidend, sagt Pätz. «Mit dem Wischen können Fehler korrigiert werden.»
Dass die Schweizerinnen an Europameisterschaften weniger erfolgreich sind als an Weltmeisterschaften, hat auch mit dem Zeitpunkt mitten in der Saison zu tun. Diesmal kehrten sie erst am Dienstagabend von einem der fünf Grand-Slam-Turniere in Kanada mit den 16 besten Teams der Welt zurück. Am Donnerstagmorgen stand dann schon die Reise nach Finnland an. Deshalb blieb keine Zeit für ein spezifisches Training auf die EM.
«Das wird uns nicht beeinflussen», ist Pätz überzeugt. Dies umso mehr, als das Selbstvertrauen der Schweizerinnen gross ist, nachdem sie in Kanada erst im Final gegen das kanadische Weltmeisterteam um Skip Rachel Homan verloren haben. Ist also an der EM nur Gold gut genug? «Für uns ist jede Medaille etwas wert. Eine solche muss meistens hart verdient werden, und mit dieser Einstellung nehmen wir das Ganze in Angriff», so Tirinzoni. Pätz sagt: «Eine Medaille ist sicher das Ziel, jedoch haben andere Teams die gleichen Erwartungen wie wir. Es ist nicht so, dass wir mit Silber oder Bronze enttäuscht wären.» Egal in welchem Spiel, Pätz ist bereit für einen weiteren magischen Stein.