Jeannine Gmelin schlägt das nächste Kapitel auf
Im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA spricht die 34-jährige Zürcherin über die Gründe für den endgültigen Rücktritt vom Rudersport, darüber was sie am meisten stolz macht an Ihrer Karriere und ihre nächsten Pläne.
Jeannine Gmelin, Sie haben sich entschlossen, endgültig Ihren Rücktritt vom Rudersport zu geben. Wieso?
«In mir ist das Gefühl, alles ausgereizt zu haben. Ich sehe nicht, dass ich mich im Rudersport noch wahnsinnig weiterentwickeln kann. Das ist für mich der springende Punkt. Weiterentwicklung hält mich auf Trab, etwas zu versuchen, bei dem ich das Gefühl habe, ich kann etwas herausholen und lernen sowie mich herausfordert. Das ist im Rudern nicht mehr in derjenigen Form möglich, wie ich es mir wünsche. Deshalb würde die Freude und die Leidenschaft darunter leiden, was ich um jeden Preis vermeiden wollte. Ich gehe immer noch gerne ins Ruderboot, aber ich möchte nicht mehr 20 Stunden pro Woche auf dem Wasser sein.»
Dann fielen Ihnen der Entscheid einfach?
«Das kann man schon so sagen. Es ist sicher nicht so, dass ich den Entscheid von heute auf morgen gefällt habe, aber es war eine klare Sache. Das Gefühl machte es mir einfach.»
Wie wichtig war es für Sie, nach dem ersten Rücktritt im Januar 2023 aufgrund des unerwarteten Todes ihres Trainers und Partners Robin Dowell doch noch zu versuchen, an den Olympischen Spielen in Paris dabei zu sein?
«Das war für mich extrem wichtig. Es ist das zentrale Element, dass ich heute mutig diesen Schritt machen kann. Dank dieser Ehrenrunde konnte ich sozusagen zu meinen Bedingungen Abschied nehmen, kam der Entscheid aus dem Inneren heraus und nicht bedingt durch die Umstände.»
Was macht Sie am meisten stolz, wenn Sie auf Ihre Karriere zurückblicken?
«Ganz klar die Konstanz. Ich gehörte während etwa sechs Jahren immer zu den Top 5 der Welt. Das schafften nicht viele.»
Nur wenige trauten Ihnen zu, es in die Weltspitze zu schaffen, was auch an der Grösse von für den Rudersport geringen 1,70 m lag. Spornte Sie das zusätzlich an?
«Es war nie eine Motivation, jemandem etwas beweisen zu wollen. Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass ich nicht per se eine mega kompetitive Person bin, ich bin jedoch sehr kompetitiv mit mir selber. Ich hatte die Überzeugung in mir, dass das mein Weg ist und diese Stimme wurde nie still. Ich hätte es irgendwann bereut, wenn ich es nicht gewagt hätte. Wenn es nicht funktioniert hätte, wäre ich um eine Erfahrung reicher gewesen. Ich wollte mich nicht von aussen definieren lassen, glaubte an mich.»
Können Sie sich vorstellen, im Rudersport zu bleiben und Ihre immense Erfahrung an die nachfolgende Generation von Swiss Rowing weiterzugeben?
«Grundsätzlich ja. Der springende Punkt ist aber, dass ich meine Erfahrung zwar weitergeben möchte, es muss jedoch von der Gegenseite angenommen werden. Da braucht es eine Offenheit und ein Bewusstsein, was ich momentan ganz ehrlich nicht vorhanden sehe. Wenn jemand mit mir zusammenarbeiten möchte, weil er meine Werte und mich schätzt, dann mache ich das gerne. Wenn es allerdings nur darum geht, ein Häkchen zu setzen, dann bin ich die falsche Person. Ich bin nicht bereit, meine Energie in etwas zu investieren, von dem ich nicht das Gefühl habe, dass es fruchtet.»
Wo sehen Sie dann Ihre unmittelbare Zukunft?
«Ich möchte mit Menschen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung arbeiten, wie das genau aussieht, ist offen. Ich werde auch Zeit für die Athletenkommission von Swiss Olympic aufwenden, diese liegt mir am Herzen. Meine Zukunft wird sich von allein zu einer runden Sache entwickeln.»