Matthias Hüppi: «Stürmische Zeiten gilt es, gemeinsam auszuhalten»
Matthias Hüppi, 3. Rang, drei Punkte hinter Leader Zürich, dem FC St. Gallen läuft es in dieser Saison bisher sehr gut. Was sind für Sie die Gründe dafür?
«Erstens liegt es an der Qualität der Mannschaft. Dann an der Arbeit generell, die im Bereich Sport gemacht wird, in Verbindung mit dem riesigen Support und dem Vertrauen des fussballinteressierten Umfelds in der Ostschweiz, das gross ist. Es braucht alles, damit es funktionieren kann, und dann gibt es immer noch genügend unberechenbare Faktoren. Der Erfolg ist im Fussball per se nicht planbar, wir können einzig optimale Rahmenbedingungen schaffen. Das beginnt mit der Betreuung der Spieler. Ebenso wichtig ist die Arbeit im Hintergrund. All das trägt zu einem guten Fundament bei. Ich stelle mit grosser Freude fest, wie gut der Spirit im ganzen Verein ist. Es sind alle Bereiche zusammengerückt, das war eines unserer Ziele. Jedoch gelang das nicht von heute auf morgen, sondern brauchte Standhaftigkeit und Beharrlichkeit, wenn es mal nicht so gut lief.»
Ein grosses Ziel, den Cupsieg, habt Ihr allerdings mit dem Scheitern im Sechzehntelfinal gegen Delémont aus der Promotion League verpasst. Das dürfte noch immer weh tun?
«Schon. Aber ich bin jemand, für den es irgendwann einmal auch gut ist. Es kann eh nicht mehr geändert werden. Aber klar, wenn der Cupsieg als Ziel herausgegeben wird, dann besteht das Risiko, dass dieser Traum platzt. Wir haben das allerdings gut verarbeitet und darum geht es. Gefährlich wäre es gewesen, wenn uns dieses Scheitern heruntergezogen hätte. Das war aber nie der Fall.»
Der FC St. Gallen setzt auf Kontinuität. Peter Zeidler ist seit der Saison 2018/19 der Trainer und hat den Vertrag Anfang Jahr bis 2027 verlängert. Sportchef Alain Sutter ist gar seit Anfang 2018 im Amt. Das ist im schnelllebigen Fussball nicht Usus.
«Dass wir zu jenen Leuten stehen, denen wir das Vertrauen geschenkt haben, gehört zu unserer DNA. Für mich ist nicht relevant, welche Jahreszahl im Vertrag steht, für mich ist einzig relevant, wie stark die Überzeugung bei jedem Einzelnen ist, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist und die Ziele erreicht werden können. Wenn diese Überzeugung zu bröckeln beginnt, dann muss sofort über die Bücher gegangen werden. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen. Die Leute wissen bei uns aber, dass sie zu keinem Zeitpunkt aufgrund öffentlicher Kritik ins Wanken geraten. Das gehört zum Fussballgeschäft, in stürmischen Zeiten gilt es, diese gemeinsam auszuhalten. Eine Kampagne gegen einen Trainer bewirkt beim FC St. Gallen nichts.»
Als in diesem Frühjahr in zehn Meisterschaftsspielen hintereinander kein Sieg gefeiert werden konnte, gab es da nie Zweifel?
«Nein, der Trainer spürte von allen Seiten jederzeit unser vollstes Vertrauen. Und es ist ja nicht nur der Trainer, der in diesem Moment nicht erfolgreich ist, sondern der ganze Verein. Wir wollen in diesem Bereich andere Wege gehen. Nichtsdestotrotz liegt es in unserer Verantwortung, auch schwierige Entscheide zu treffen, das ist klar. Ich sage stets, dass wir nicht auf dem Planeten der Seligen unterwegs sind. Auch wir haben Meinungsverschiedenheiten und führen harte Debatten. Die Frage ist immer, wo diese ausgetragen werden. Es kommt für uns nicht in Frage, auf der Medienbühne miteinander zu streiten. Um jene Gräben zuzuschütten, die in einem solchen Fall entstehen würden, bräuchte es ein paar Schaufeln. Medial Konflikte auszutragen, kann dazu führen, dass das gesamte Gebilde instabil wird.»
Dennoch ist es nicht selbstverständlich, immer die Ruhe zu bewahren.
«Das ist bei uns eine Vorgabe - auch nach einer solchen Negativserie. Für mich hat Führung sehr viel mit Klarheit zu tun. Die Leute müssen wissen, woran sie sind, müssen die Grundwerte kennen. Das heisst aber nicht, immer der gleichen Meinung zu sein. Wichtig ist jedoch, Schritte aufeinander zuzumachen. Wer diese Bereitschaft nicht hat, hat es bei uns schwer.»
Es ist nicht unüblich, dass es zwischen einem Trainer und seiner Mannschaft nach einer gewissen Zeit Abnützungserscheinungen gibt. Wieso ist das bei Euch nicht der Fall?
«Das ist nicht einfach so gegeben, es ist stetige Arbeit gefordert. Es ist normal, dass zwischen dem Trainer und Spielern Meinungen auseinandergehen. Alles andere wäre künstlich, und das sind wir beim FC St. Gallen definitiv nicht. Wir sind nah bei den Menschen, verstecken uns nicht. Aber klar, es muss zusammenpassen.»
Was ist allgemein entscheidend, dass es zusammenpasst?
«Vieles hat mit zuhören zu tun. Es sind Prozesse, die nie aufhören. Wir sind heute auch in einer anderen Situation wie damals, als ich begonnen habe. Zu dieser Zeit ging es darum, den Verein auf stabile Beine zu stellen - auch im wirtschaftlichen Bereich - und die Crew so zusammenzuführen, dass sie längerfristig miteinander funktioniert. So weit sind wir heute. Aber wir wissen nicht, was diese Saison noch bringt. Um in den Top 3 zu bleiben, muss in der gesamten Organisation alles stimmen, müssen alle Kräfte gebündelt werden.»
Wo sehen Sie noch Optimierungsmöglichkeiten im Verein?
«Wir hinterfragen alle Bereiche permanent, gewisse sind aber schon ziemlich ausgeschöpft. Das Stadion wird nicht grösser und ist stets gut gefüllt. Was die Sponsoren betrifft, sind wir ebenfalls gut unterwegs. All das kommt allerdings nicht von ungefähr, es braucht immer wieder neue Ideen. Sportlich sind wir in einer hoch interessanten Phase. Ab der nächsten Saison fliesst noch mehr Geld in die europäischen Wettbewerbe. Wenn du dort nicht dabei bist, kannst du mittelfristig ein Problem bekommen, weil du von jenen Teams, die sich regelmässig dafür qualifizieren, überholt wirst. Zudem sehnen sich unsere Fans danach.»
Zurück zur Meisterschaft: In der letzten Saison lag das Team zu diesem Zeitpunkt ebenfalls im 3. Rang, ehe im neuen Jahr der Absturz auf Platz 6 erfolgte. Warum passiert das nicht erneut?
«Ich glaube, dass wir gefestigt sind. Zwar ist das Kader nicht grösser, aber in sich homogener. Deshalb konnten wir Ausfälle stets auffangen. Zudem entwickelten wir einen Spirit, dass wir Spiele, die nicht für uns laufen, auf unsere Seite zwingen. Das ist signifikant anders als in der vergangenen Saison. Die Überzeugung, Partien noch drehen zu können, ist eine neu dazu gekommene Qualität.»