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Schritt für Schritt zurück an die Spitze

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Schritt für Schritt zurück an die Spitze

16. November 2023, 05:00 Uhr
Ramon Zenhäusern hat wieder allen Grund zum Lachen
© KEYSTONE/EPA/GUILLAUME HORCAJUELO
Ramon Zenhäusern hat seine Rolle im Slalom wieder. Der Walliser findet im vergangenen Winter auf seinem mit Bedacht gewählten Weg zurück in den Kreis der Besten.

Schritt für Schritt ist er in der letzten Saison gegangen, überzeugt davon, das Richtige zu tun, um den Anschluss an die Spitze wieder herzustellen. Stück für Stück hatte sich Zenhäusern der Elite wieder genähert - bis er selber wieder der Beste war. Die zwei Weltcup-Siege in Chamonix in Hochsavoyen und beim Finale in Soldeu in Andorra waren die Krönung einer Rückkehr, mit der sich der Doppelmeter auch selber überraschte.

Im Interview spricht Zenhäusern über seine Massnahmen nach der missratenen vorletzten Saison, in der er nicht nur mit körperlichen Problemen zu kämpfen hatte, sondern auch wieder kritische Voten zu hören bekam. Diese unverständliche Kritik ist im Gespräch ebenso ein Thema wie der Klimawandel.

Ramon Zenhäusern, im Slalom-Weltcup folgte auf den dritten Platz vor drei Jahren im vorletzten Winter aus bekannten Gründen das Abrutschen auf Platz 25, in der vergangenen Saison ging es zurück auf Platz drei. Lässt sich der Fahrer Zenhäusern auf diesen zwei dritten Plätzen vergleichen?

«Ein Vergleich ist sehr wohl möglich. Aber ich bin ein anderer Fahrer - und das in mehreren Bereichen.»

Inwiefern?

«Ich habe mich natürlich weiterentwickelt. Das gilt in Bezug auf die Technik. Mein Fahrstil ist ein anderer als damals. Das gilt aber auch fürs Mentale und die Einstellung.»

Was hat sich betreffend Technik konkret bei Ihnen getan?

«Nach der vorletzten, schlecht verlaufenen Saison, in der mehrere unschöne Sachen zusammengekommen sind (Schulterverletzung, Rückenprobleme, Suche nach der optimalen Material-Abstimmung, Corona-Infektion, Red.), habe ich alles analysiert und vieles hinterfragt und bin zum Schluss gekommen, dass es für mich betreffend Technik nicht mehr stimmt. Meine Position auf den Ski ist immer tiefer geworden und dadurch unsauber. Deshalb habe ich mich in den Trainings wieder auf die Technik konzentriert. Zeitläufe bin ich erst gegen Ende der Vorbereitung im November gefahren.»

Stichwort Vorbereitung. Wie ist sie mit Blick auf die kommende Saison verlaufen?

«Ich bin im Fahrplan. Ich hatte keine körperlichen Beschwerden, und auch von den Bedingungen her wars gut.»

Fanden Sie sich zu Beginn der letzten Saison auch ein wenig in der Zeit vor sechs, sieben Jahren wieder, als nur wenige an Ihr Potenzial glaubten? Sie bekamen unter anderem zu hören, dass Sie ihren Zenit überschritten hätten.

«Das zeigt einfach, wie schnelllebig der Spitzensport ist. Das Ganze hat mich selber schon auch überrascht. Vor dem vorletzten Winter hatte ich in vier Saisons in Folge zu den besten sieben Slalom-Fahrern gehört.»

Was haben all die Kritiken und ungerechtfertigten Einschätzungen bei Ihnen ausgelöst?

«Ich habe das eher als lustig und unterhaltsam empfunden. Über solchen Sachen musst du als Athlet stehen.»

Weh getan hat der fehlende Respekt vor Ihnen und Ihren Leistungen nicht?

«Im Innersten schon. Die Kommentare, dass ich es als grossgewachsener Fahrer nie an die Spitze schaffen würde, habe ich als ‹Bohnenstange› ja schon in frühen Jahren hören müssen. Als Athlet auf seine Grösse reduziert zu werden, hat für mich etwas Diskriminierendes. Ob ein kleiner Fahrer, dem das Gleiche wie mir widerfahren wäre, auch so schnell abgeschrieben worden wäre? Ich weiss es nicht.»

Aus dem besagten verpfuschten Winter nahmen Sie aber auch Positives mit.

«All das, was in jenem Winter passiert ist, hat mich auch zum Nachdenken angeregt. Ich habe das ganze System hinterfragt - und das, was ich als Skirennfahrer tue. Auf jeden Fall habe ich aus der vorletzten Saison mehr gelernt als aus den vier Wintern zuvor. Vor allem aber haben mich die Wortmeldungen motiviert.»

Die Motivation muss extrem gross gewesen sein. Im letzten Winter haben Sie schnell den Anschluss an die Besten wieder gefunden. Haben Sie sich damit selber überrascht?

«Ich wollte Schritt für Schritt machen. Dass es gegen Ende Saison sogar schon wieder zu Siegen gereicht hat, kam auch für mich etwas überraschend. Dabei hat mir meine Erfahrung sicher geholfen.»

Im Vergleich zur letzten Saison ist die Ausgangslage eine andere. Vor einem Jahr hiess die Devise «Schritt für Schritt». Und jetzt, nach der Rückkehr in den Kreis der Besten?

«Natürlich ist die Ausgangslage anders. Ich probiere unter anderem, das Ganze mehr zu geniessen, mich nicht verkrampft auf Resultate zu fokussieren. Ich fahre primär gerne Ski, ob als Nummer 3 oder als Nummer 25. Ich bin gelassener geworden und hoffe, diese Gelassenheit beizubehalten.»

Geändert hat sich vor allem auch, dass Sie nun wieder von Anfang an um den Sieg fahren können. Zu Beginn der letzten Saison war das logischerweise nicht Ihr primäres Ziel.

«Schon, ja. Aber das Niveau im Slalom ist mittlerweile ausserirdisch hoch. Von den ersten 25 der Weltcup-Startliste standen praktisch alle schon einmal auf dem Podest. Alles ist so eng beieinander. Da heisst es noch lange nichts, in den ersten sieben zu starten. Vor allem geht es darum, das beste Skifahren zu zeigen, das Potenzial abzurufen.»

Sie sind jetzt wieder in der Situation, dass Sie, falls Sie Ihre normale Leistung bringen, mit einem Ergebnis rechnen dürfen, mit dem Sie zufrieden sein können.

«Ja (lacht). Aber im Slalom ist alles auf Messers Schneide, und deshalb ist nichts voraussehbar. Ohne Risiko gewinnst du nichts.»

Am aufgeblähten Weltcup-Kalender ist die Kritik allgegenwärtig. Dass im nächsten Winter 13 Slaloms geplant sind, wird Ihnen aber recht sein.

«Sicher, ja. So denken auch viele andere reine Slalomfahrer, denn bei uns ist das Spezialistentum weiterverbreitet als in anderen Disziplinen. Apropos Kalender: Ich wäre der Erste, der dafür wäre, die Saison zu verlängern. Ich bin ja seit Jahren bis Ende April, Anfang Mai auf den Ski.»

Hoch im Kurs ist natürlich das Thema Klimawandel. Für Sie als Athlet ein zweischneidiges Schwert.

«Ich versuche, meinen Beitrag zur Umwelt zu leisten. Exponieren will ich mich nicht. Öffentlich Stellung oder die Leute belehren mag ich nicht. Als Skifahrer mit meiner ganzen Reiserei kann ich kein Vorbild sein. Deshalb halte ich mich in den Diskussionen lieber zurück.»

Ein brisanter Fall spielte sich in den letzten Wochen im Vorfeld der geplanten ersten Weltcup-Abfahrten in Zermatt/Cervinia sozusagen vor ihrer Haustüre ab. Wie sehen Sie die ganze Problematik?

«Zur Thematik wegen des Einsatzes von Baggern kann ich nur sagen, dass es ohne diese Arbeiten nicht möglich wäre, im Sommer dort Ski zu fahren, weder als Renn- noch als Hobbyfahrer. Zudem weiss ich auch nicht, ob der Schnee schneller schmilzt, wenn die Gletscherspalten damit aufgefüllt werden.»

Zurück zu Ihrer persönlichen Ausgangslage. Was spricht dafür, dass Ramon Zenhäusern dort weitermacht, wo er im letzten Winter aufgehört hat?

«Ich bin fit, habe keine körperlichen Beschwerden, und die Vorbereitung ist so verlaufen, wie ich mir das vorgestellt habe. Dazu habe ich den Spass am Skifahren noch nicht verloren.»

Quelle: sda
veröffentlicht: 16. November 2023 05:00
aktualisiert: 16. November 2023 05:00