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Sundhages Experimente zahlen sich aus

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Sundhages Experimente zahlen sich aus

30. Oktober 2024, 02:50 Uhr
Pia Sundhage feiert in Genf ihren grössten Sieg als Schweizer Nationaltrainerin
© KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT
Das Schweizer Nationalteam der Frauen blickt auf einen sehr erfolgreichen Zusammenzug zurück. Trainerin Pia Sundhage probiert fleissig aus - und wird für ihren Mut belohnt.

Die Uhren im Stade de Genève zeigen 22.56 Uhr an, als Silvia Gasperotti an diesem herbstlichen Dienstagabend die Pfeife zu ihrem Mund führt und eine Partie beendet, die vielen Menschen noch länger in Erinnerung bleiben wird. Der Schlusspfiff der italienischen Schiedsrichterin besiegelt den 2:1-Sieg des Schweizer Nationalteams gegen Frankreich.

22 Jahre ist es her

In einem Testspiel zwar, aber der Blick zurück zeigt, dass es für eine SFV-Auswahl alles andere als alltäglich ist, gegen die Equipe tricolore zu reüssieren. Letztmals war dies dem A-Nationalteam der Frauen nämlich vor 22 Jahren gelungen.

Sie werde, sagt Pia Sundhage, noch lange an diesen Moment zurückdenken, als ihr bisher grösster Sieg als Nationaltrainerin der Schweiz endlich feststand. Die Schwedin sitzt im Bauch des Genfer Stadions und gibt Einblick in ihre Gefühlswelt. Sie erwähnt die Emotionen – nicht nur beim Schlusspfiff, sondern beispielsweise auch in der 54. Minute, als sie wie die Mehrheit der fast 11'000 Fans ins Staunen kommt nach Naomi Luyets sehenswertem Schlenzer zum entscheidenden 2:1.

Da steht Sundhage mit hochgerissenen Armen am Spielfeldrand und klatscht mit ihrem Staff ab. Alle freuen sich in diesem Moment mit der 18-jährigen Walliserin, der in ihrem fünften Länderspiel ihr erstes Tor für die Schweiz gelingt.

Sinnbild Luyet

Die Akteurin der Young Boys ist ein Sinnbild dieses Nationalteams und den Ideen, die Sundhage für ihre Spielerinnen hat. In ihrem Klub agiert Luyet nämlich vorwiegend in der Sturmspitze, im Nationaldress hat sie sowohl gegen Australien am Freitag (1:1), als auch am Dienstag gegen Frankreich in der Rückwärtsbewegung als linke Verteidigerin gespielt.

Eigentlich, sagt Luyet, spiele sie schon lieber etwas weiter vorne. «Aber bis jetzt hat ganz gut funktioniert, was sich die Trainerin ausgedacht hat.» Sundhage liess die Schweiz in diesem Zusammenzug vorwiegend in der Grundordnung 3-5-2 agieren, was eben von den Spielerinnen auf den Aussenpositionen wie Luyet verlangt, sich in eine defensive Fünferkette einzuordnen.

Dadurch erhofft sich die 64-Jährige mehr Kompaktheit und Stabilität in der Defensive. Ein Plan, der durchaus glückte gegen die Französinnen, denn wie Sundhage konstatiert, habe ihr Team nicht viel zugelassen. Sie sagt: «Ich habe heute viel Selbstvertrauen gewonnen, und die Spielerinnen auch.»

Eben weil sie sieht, dass ihre Ideen mit diesem Schweizer Team harmonieren, und dass mit dieser Ausgangslage dann eben auch scheinbar überlegene Gegnerinnen schlagbar werden. Sowohl Meriame Terchoun als auch Viola Calligaris erwähnen, dass das Team in den letzten Monaten zusammengewachsen sei und dass die Balance stimme zwischen jungen Spielerinnen wie Luyet oder Iman Beney und Erfahrenen wie Captain Lia Wälti oder dem Sturmduo Ana-Maria Crnogorcevic und Ramona Bachmann. «Der Mix ist momentan perfekt», befindet Calligaris.

Mehr Rock'n'Roll

Pia Sundhage ist leidenschaftliche Sängerin, und so zieht sie auch gern Analogien zur Musik, wenn sie über Fussball spricht. Denn trotz der erfreulichen defensiven Kompaktheit – in der Offensive würde sie manchmal gern noch etwas mehr «Rock'n'Roll» sehen, wie sie es nennt. Ergo schnelleres Umschalten, mehr Dynamik, mehr Chancen. Aber Sundhage ist an diesem Abend eine zufriedene Nationaltrainerin. «Wir haben im Vergleich zur Nations League schon grosse Fortschritte gemacht.»

Nun stehen in einem Monat zwei weitere Testspiele gegen Deutschland (in Zürich) und gegen Europameister England (in Sheffield) an. Ob sie sich denn nun angesichts dieses Prestigeerfolgs gegen Frankreich wünschen würde, dass die Heim-EM schon morgen und nicht erst am 2. Juli losgehen würde, wird Sundhage zum Abschluss gefragt. Sie lächelt und sagt: «Nein, wir brauchen mehr Zeit, aber von den Erlebnissen des heutigen Abends können wir noch lange zehren.»

Quelle: sda
veröffentlicht: 30. Oktober 2024 02:50
aktualisiert: 30. Oktober 2024 02:50