Wie der FC Winterthur die nächste Stufe erklimmt
Das Team der Stunde im Schweizer Fussball mag das seit Ende September auf nationaler Bühne nur einmal geschlagene Servette sein, das noch in drei Wettbewerben mitmischt und den Meisterkampf in der Super League offen hält. Die Überraschungsmannschaft ist aber der FC Winterthur, der am Mittwochabend mit einem 2:0-Sieg beim FCZ im Letzigrund in die Cup-Halbfinals vorgestossen ist und nur eines der letzten zehn Pflichtspiele verloren hat.
Matchwinner beim ersten Sieg im Schweizer Cup gegen den FCZ seit 1928 war Nishan Burkart. Der ehemalige Zürcher Junior erzielte beide Tore und sorgte damit für ein logisches Resultat mit unlogischer Taktik. Die Art und Weise, wie Winterthur den FCZ bezwang, war nämlich so gar nicht typisch für den FCW dieser Saison. Letzte Saison mit 32 Toren in 36 Spielen die unproduktivste Mannschaft der Super League, tritt sie unter Trainer Patrick Rahmen mit ungeahnter offensiver Durchschlagskraft auf. 45 Tore sind es in dieser Saison nach 25 Ligaspielen, drei Tore pro Spiel beträgt der Schnitt im Cup. Nur die Young Boys treffen öfter.
Gegen den FCZ überraschte «Winti» mit einer defensiven Taktik. Im Wissen um die offensive Verzweiflung des FCZ, der seit dem Jahreswechsel in acht Spielen fünf Tore erzielte, liess man den Gegner anlaufen, gab ihm das Gefühl, das Spiel zu dominieren. Und schlug dann zweimal zu, als sich die Gelegenheiten boten.
Cleverer Trainer, späte Tore
Der Trainer ist eines der Puzzleteile dafür, dass dem FCW die Wandlung zu einer offensiv spielenden und zugleich gefestigten Mannschaft gelingt. Der Sieg sei glücklich, aber letztlich habe ihnen die defensive Ausrichtung recht gegeben, hält Rahmen nach dem 2:0-Sieg zu Recht fest. «Es war schon so, dass wir relativ tief standen, aber dominiert wurden wir nicht. Wir verteidigten richtig gut und liessen wenig zu.» Doppeltorschütze Burkart verwies ausserdem auf die Qualität der späten Tore. 10 der 15 Treffer seit dem Jahreswechsel erzielte Winterthur in der letzten halben Stunde.
Damit kann Winterthur weiter auf den ersten Titel seit 107 Jahren hoffen. Ein solcher ist in dieser Verfassung gleichermassen nicht utopisch wie der Einzug in die Meisterrunde der ersten sechs in der Super League. Aktuell belegt Winterthur in der Super League den 7. Platz, drei Punkte hinter Luzern und Lugano, fünf Punkte hinter dem destabilisierten FCZ, der die Tabelle nach 15 Spielen noch angeführt hat.
Was macht den mit bescheidenen Mitteln arbeitenden FC Winterthur so stark? «Im Moment greift alles ineinander», sagt Rahmen. «Jeder steht für den anderen ein, jeder gibt Gas - auch die, die nicht immer von Anfang an spielen. Die Ersatzspieler bleiben dran, und wenn sie reinkommen, helfen sie der Mannschaft. Keiner ist beleidigt. Dieser Spirit macht uns aus.»
Solidarität und kein Nachlassen
Die Solidarität auf dem Platz sei spürbar, so Rahmen weiter. «Zudem wissen wir, dass wir vorne jederzeit etwas machen können.» Seit dem torlosen Remis gegen Luzern beim Super-League-Auftakt im letzten Juli schoss Winterthur in jedem Match mindestens ein Tor, meistens zwei oder mehr.
Auch Nishan Burkart, der als Junior vom FCZ in den Nachwuchs von Manchester United wechselte und später beim SC Freiburg an der Schwelle zum Profiteam stand, aber nur zu einem Teileinsatz in der Bundesliga kam, streicht das Kollektiv heraus: «Wir haben einen tollen Teamspirit. Es kommen alle gut miteinander aus, und wir haben keine grossen Egoisten in der Mannschaft.»
Acht Spiele stehen in der Super League bis zum Cut nach Platz 6 noch an, darunter die zwei Heimspiele am Sonntag gegen Yverdon und sechs Tage später gegen die Grasshoppers. Acht Spiele, in denen der FCW im gleichen Stil weitermachen will. «Unsere Herausforderung jetzt ist, dass wir bodenständig so weitermachen wie bisher und wir nicht das Gefühl bekommen, es gehe von alleine. Sonst geht es schnell wieder in eine andere Richtung», sagt Rahmen.
Abschreckendes Beispiel ist der FCZ. Der zog einen radikalen Strategiewechsel bodenständiger Beständigkeit vor - und hat dabei das Toreschiessen verlernt.