Wie sich Iman Beney zurück ins Nationalteam gekämpft hat
Als Iman Beney im Sommer 2023 im Haus ihrer Eltern sitzt, läuft der Fernseher. Natürlich tut er das. Schliesslich spielt das Schweizer Nationalteam der Frauen in Neuseeland an der WM. Als die damals 17-Jährige auf dem Sofa sitzt, schiesst ihr ein Gedanke durch den Kopf. «Scheisse, da sollte ich dabei sein.»
Gut 15 Monate sind seither vergangen. Die mittlerweile 18-Jährige sitzt in einem Hotel in Regensdorf und blickt auf den Moment zurück, der es ihr verunmöglichte, Teil des grössten Turniers zu sein, das sie als Fussballerin erleben kann. Es passiert am 4. Juli im Abschlusstraining vor dem letzten WM-Vorbereitungsspiel gegen Marokko. Bei einer Übung verdreht sie sich das Knie so, dass das Kreuzband reisst.
In einer Halbzeit zur Hoffnungsträgerin
Anstatt gegen die Afrikanerinnen noch einmal zu wirbligen Dribblings ansetzen zu können, geht die junge Walliserin in Winterthur an Krücken und wird bei der Ehrenrunde nach dem 0:0 von Teamkollegin Mériame Terchoun auf den Schultern getragen.
Vielleicht, heisst es da, hätte das Schweizer Nationalteam mit einer einsatzfähigen Beney gewonnen. Vielleicht hätte die Walliserin auch die Fans auf der Schützenwiese verzückt, nachdem sie fünf Tage zuvor in Biel gegen Sambia ein eindrucksvolles Debüt im Nationalteam gegeben hatte.
Denn in der Bieler Arena stand Beney am Ursprung einer Aufholjagd. 1:3 lag die Schweiz zur Pause zurück. Inka Grings, die damalige Nationaltrainerin, tätigte einen Dreifachwechsel und verhalf so ihrer jüngsten Spielerin zur Premiere. Doch Beney sollte nicht nur debütieren, sondern auch assistieren. Beim Anschlusstor durch Seraina Piubel lieferte die Offensivakteurin den letzten Pass.
Auch sonst überzeugte die junge Walliserin, die ihre Heimat schon früh verlassen hatte, um sich im Leistungszentrum in Biel weiterzuentwickeln. Sie belebte die zuvor arg stockende Offensive mit ihrer Geschwindigkeit, überlistete die Gegnerinnen mit ihrer feinen Ballbehandlung. In nur einer Halbzeit in Rot-Weiss war Beney zu einer Hoffnungsträgerin geworden. Ramona Bachmann, einst ein Idol für Beney, attestierte ihr nach der Partie: «Wenn sie so weitermacht, wird sie eine grosse Zukunft haben.»
Geruhsame Rückkehr
Doch eben, diese Zukunft führte sie nicht wie erhofft in den Winter Neuseelands, sondern zurück ins Wallis. In Physiopraxen, Fitnesscenter, und ins Elternhaus. Beney erzählt, wie ihr Vater Nicolas, der langjährige Goalie des FC Sion, ihr ein Heft in die Hand gedrückt habe und ihr auftrug, jeden Abend zu notieren, was sie gemacht habe, welche Übungen in der Physio ihr geholfen hätten.
Der Zweck der Übung: Einerseits, dass sie wenn sie wieder nach Bern zu ihrem Klub YB geht, dem dortigen Staff genau mitteilen kann, was sie gemacht hat und was sie das Gefühl hat, bringe sie weiter. Andererseits soll sie sich durch diese tägliche Reflexion immer wieder vor Augen führen, was sie auf ihrem langen Weg zurück schon alles erreicht hat. Sie habe schon nach der Operation nicht mehr an die Verletzung gedacht, sagt Beney. Sondern immer nur an ihre nächsten Schritte. «Ich habe immer gewusst, dass ich erst im Sommer wieder würde spielen können», sagt sie
Es ist eine bemerkenswerte Abgeklärtheit und Ruhe, welche die junge Fussballerin bei diesen Worten ausstrahlt. Und dieses Bewusstsein nimmt ihr den Druck. Notfalls wäre sie auch für die Playoff-Partien der Young Boys gegen die Grasshoppers und Servette-Chênois für Teileinsätze parat gewesen, aber sie selbst, ihr Umfeld und auch YB bevorzugten es, nichts zu überstürzen, mit dem Team in Ruhe die Vorbereitung auf die neue Saison zu absolvieren und dann wieder mit vollem Elan auf den Fussballplatz zurückzukehren.
«Perfektes Timing für die EM»
Nun führen die Young Boys die Tabelle der Super League an, und Beney hat in ihren acht Einsätzen in der Liga viermal getroffen, dazu hat sie auch im Cup einen Treffer erzielt. Eine starke Bilanz, die ihr die Rückkehr ins Nationalteam ermöglichte, mit dem sie am Freitag (20 Uhr) im Zürcher Letzigrund auf Australien trifft, ehe am Dienstag in Genf (21 Uhr) ein weiteres Testspiel gegen Frankreich ansteht.
Am Anfang, sagt Beney, habe sie sich noch nicht getraut, in Duelle 1 gegen 1 zu gehen, aber mit jedem Spiel, das sie absolviere, komme sie ihrer Bestform näher. Eine Bestform, die sie, so der Plan, dann spätestens bei der Heim-EM im nächsten Sommer erreicht. «Das Timing ist perfekt», sagt Beney und lacht. Zwar habe sie sich mit Nationaltrainerin Pia Sundhage noch nicht konkret über ihre Rolle unterhalten, aber die Schwedin hat schon mehrmals durchblicken lassen, dass sie die Qualitäten Beneys sehr schätzt.
Auch wegen dieser Unbekümmertheit, die auch dann wieder spürbar ist, als sie gefragt wird, ob sie sich davor fürchte, sich wieder am Kreuzband zu verletzen. Beney antwortet: «Nein. Ich habe keine Angst. Ich spiele frei, auch in meinem Kopf.»